Die 28nm Grafikkarten-Generation ist derzeit grob ein halbes Jahr am Markt – und selbst wenn das Portfolio insbesondere bei nVidia noch lange nicht vollständig ist, kann man dennoch mit Fug und Recht behaupten, daß die Anfangstage der 28nm-Beschleuniger nunmehr hinter uns liegen. Darauf deuten auch die verschiedenen Preissenkungen der AMD-Beschleuniger und der inzwischen einsetzende allgemeine Preiskampf der 28nm-Generation hin – die Radeon HD 7000 und GeForce 600 Serien sind inzwischen Normalität geworden, denen gilt nahezu alles Augenmerk. Basierend auf dieser also inzwischen halbwegs gesetzten Ausgangslage darf man daher durchaus die Frage stellen, was die 28nm Grafikkarten-Generation bisher an Performance-Zuwächsen bzw. besseren Performance/Preis-Verhältnissen gebracht hat.

Betrachtungsgrundlage hierfür ist der Punkt, daß natürlich üblicherweise und mit der Zeit jede neue Grafikkarten-Generation die preismäßige Position der vorhergehenden Grafikkarten-Generation einnimmt – man bekommt also irgendwann die Mehrperformance der neuen Generation zum gleichen Preis. Wäre dies nicht so, müsste ausgehend von den 1000 DM der früheren GeForce 2 Ultra eine heutige Grafikkarte mit der zigfachen Performance dieses (altehrwürdigen) DirectX7-Modells dementsprechend auch mehrere hundertausend Euro kosten – weil eine GeForce GTX 680 auch sicherlich mehr als hundertmal so schnell ist wie eine GeForce 2 Ultra. Selbst die bei jeder neuen Grafikkarten-Generation mit erscheinenden Technologie-Fortschritte sind langfristig gesehen für den Käufer immer eine kostenlose Dreingabe – am Ende kostet eine HighEnd-Grafikkarte immer so viel wie eine HighEnd-Grafikkarte eben kostet und richtet sich deren Preis nicht nach dem Leistungs- und Technikvergleich zu vorangegangenen Generationen.

Demzufolge wollen wir an dieser Stelle – wie gesagt grob ein halbes Jahr nach der Verfügbarkeit erster 28nm-Beschleuniger – nachprüfen, wieviel Mehrperformance zum gleichen Preis der Grafikkarten-Käufer derzeit durch die erste 28nm Grafikkarten-Generation schon bekommt. Dazu wird schlicht ein Vergleich gezogen zwischen der aktuellen Preislage der 28nm-Beschleuniger und der Preislage der 40nm-Boliden vor dem Erscheinen dieser neuen Generation im Dezember 2011. Dort, wo die Preislagen aktueller 28nm-Beschleuniger und früherer 40nm-Boliden zusammentreffen, läßt sich grob ermitteln, wieviel mehr an Performance der Grafikkarten-Käufer derzeit für sein Geld bekommt, um wieviel besser das Performance/Preis-Verhältnis also ausfällt.

Vorstehende Auflistung gibt dabei zur gestellten Frage sehr gute Hinweise: Im Bereich der Grafikkarten ab 250 Euro hat die 28nm-Generation durchaus zu gewissen Gewinnen beim Performance/Preis-Verhältnis gesorgt, mit zunehmendem Preispunkt sind diese Gewinne auch etwas größer. Die insgesamte Höhe dieser besseren Performance/Preis-Verhältnisse enttäuscht allerdings: Bei den meisten Grafikkarten bewegt sich dieser zwischen 11 und 13 Prozent, in zwei Ausnahmefällen wird immerhin ein um 23 Prozent besseres Performance/Preis-Verhältnis erreicht. Doch selbst jene 23 Prozent sind jedoch bei weitem nicht das, was man sich von einer Grafikkarten-Generation in einer neuen Fertigungstechnologie mit einem Vollnode-Sprung von 40nm auf 28nm erhoffen kann: Frühere Grafikkarten-Generationen mit einem ähnlichen Sprung in der Fertigungstechnologie boten in aller Regel die doppelte Performance – und vorstehende Ergebnisse sind von 100 Prozent Performance-Zuwachs mehr als weit entfernt.

Und auch wenn man einrechnet, daß frühere Grafikkarten-Generationen ihre Performance-Verdopplung oftmals zum Teil mit einer steigenden Verlustleistung erkauft haben (was heuer nur schwerlich möglich ist) und selbst wenn man weiter einrechnet, daß sich die vollständigen Möglichkeiten der 28nm-Fertigung wohl erst mit der im Jahr 2013 zu erwartenden 28nm Refresh-Generation (AMD Sea Islands & nVidia Kepler-Refresh) ergeben werden – dann wären doch zumindest 40 Prozent Performance-Zuwachs zum gleichen Preis für diese erste 28nm-Generation zu erwarten. Die derzeit gebotenen 11 bis 23 Prozent Performance-Zuwachs zum gleichen Preis (respektive besseres Performance/Preis-Verhältnis) sind hierzu im Vergleich arg mager.

Richtig düster sieht es dann aus, wenn man in den Preisbereich der 28nm-Karten unter 250 Euro schaut: Die schnelleren Modelle dieses Preisbereichs bieten hier wenigstens noch dasselbe Performance/Preis-Verhältnis an wie die (im Dezember verfügbaren) 40nm-Modelle – immer eingedenk des Punktes, daß die 28nm-Grafikkarten eben durch die 28nm-Fertigungstechnologie eigentlich über die Zeit das klar bessere Performance/Preis-Verhältnis bieten sollten. Die langsameren Modelle dieses Preisbereichs weisen dagegen sogar ein schlechteres Performance/Preis-Verhältnis auf – sprich, diese 28nm-Modelle bieten jetzt im Juli 2012 ein immer noch schlechteres Performance/Preis-Verhältnis an als im Dezember 2011 gekaufte 40nm-Modelle. Und die Ausschläge sind hierbei gewaltig: Anstatt eine GeForce GT 640 DDR3 jetzt zu erstehen, wäre man um zwischen 34 bis 53 Prozent an Performance besser gekommen, hätte man im Dezember 2011 ein gleich teures 40nm-Modell erstanden.

Insgesamt muß man daher konstatieren, daß die 28nm Grafikkarten-Generation bislang eine glatte Enttäuschung ist, wenn man sich an dem orientiert, was frühere neue Grafikkarten-Generationen in einer neuen Fertigungstechnologie an Mehrperformance zum letztlich gleichen Preis zu bieten hatten. Der durch die 28nm-Grafikkarten erreichte Performance-Sprung (zum gleichen Preis) liegt zwar in einer weiteren Bandbreite von -53% bis zu +23% und ist daher eher schwer mit nur einem Wort zu klassifizieren – aber es läßt sich sicherlich sagen, daß diese 28nm-Generation derzeit noch weit selbst hinter zurückgeschraubten Ansprüchen zurückliegt.

Beachtbare Performance-Zuwächse zum gleichen Preis gibt es unter 28nm leider nur bei einigen wenigen HighEnd-Grafikkarten – alle anderen 28nm-Käufer müssen (immer noch) in den sauren Apfel beißen, daß die 40nm-Grafikkarten gleiche und teilweise klar bessere Performance/Preis-Verhältnisse anbieten. Natürlich haben die 28nm-Grafikkarten nahezu durchgehend einen besseren Stromverbrauch (bei selber Performance) sowie ihre technologischen Verbesserungen in der Hinterhand – aber auch dies sind eigentlich Punkte, welche regelmäßig bei Erscheinen einer neuen Grafikkarten-Generation kostenfrei und zusätzlich zum Performance-Sprung oben drauf gelegt werden.

Dies soll nicht aussagen, daß am Kauf einer 28nm-Grafikkarte irgendetwas verkehrt wäre – diese sind in fast allen Fällen die bessere Wahl gegenüber den noch am Markt befindlichen 40nm-Boliden. Aber der große Effekt der 28nm-Fertigung ist bislang (außerhalb des HighEnd-Bereichs) glatt ausgeblieben. Sicherlich konnte man mittels der 28nm-Fertigung neue, klar schnellere HighEnd-Modelle auflegen, was mit der 40nm-Fertigung nicht mehr möglich gewesen wäre – aber alle Grafikkarten unterhalb von Radeon HD 7970 und GeForce GTX 670 wären sicherlich auch mit der 40nm-Fertigung machbar gewesen. Der typische große Effekt einer neuen Fertigungstechnologie, daß diese Karten der neuen Generation den Modellen der alten Generation mehr als deutlich davonziehen – dieser Effekt ist bislang noch überhaupt nicht zu sehen.

Und dies hängt noch nicht einmal daran, daß die 28nm-Generation keine entsprechend potenten Grafikkarten aufbietet: Der absolute Performance-Zuwachs zwischen den SingleChip-Topmodellen von 40nm und 28nm liegt bei immerhin 32 Prozent (GeForce GTX 580 zu Radeon HD 7970 "GHz Edition"), bei den DualChip-Topmodellen sind es immerhin gleich 51 Prozent (GeForce GTX 590 zu GeForce GTX 690). Die vorstehend genannten wenigstens 40 Prozent Performance-Zuwachs in der ersten Generation einer neuen Fertigungstechnologie sind hierbei also durchaus zu erkennen. Leider hat diese technologisch durchaus passende Ausgangslage aber leider nicht dazu geführt, daß das 28nm-Portfolio durchgehend mit um ca. 40 Prozent besseren Performance/Preis-Verhältnissen im Markt steht.

Da die passende Performance ergo durchaus vorhanden ist, bleibt als Übeltäter somit nur noch der derzeit angesetzte Preis für die 28nm-Boliden übrig: In der Summe der Betrachtung ist dieser immer noch klar zu hoch – weil sich eben kein klar besseres Performance/Preis-Verhältnis gegenüber der Marktlage vom Dezember 2011 mit ausschließlich 40nm-Beschleunigern bietet. Es tritt hier leider das ein, was wir an dieser Stelle schon vor Monaten prophezeit hatten: Der Weg der 28nm-Generation hin zu wirklich überzeugenden Performance/Preis-Verhältnissen wird noch lang werden. Und aktuell läßt sich – immerhin ein halbes Jahr nach der Verfügbarkeit erster 28nm-Beschleuniger – sagen, daß trotz der schon vergangenen Zeit dieser Weg immer noch lang ist, allerhöchstens das kleinere Teilstück bereits beschritten wurde.

Aus vorstehender Aufstellung läßt sich zudem wunderbar erkennen, daß die Performance/Preis-Verhältnisse der 28nm-Grafikkarten insbesondere bei diesen Modellen schlecht aussehen, wo es bislang nur ein AMD-Angebot gibt und nVidia noch nicht nachgezogen hat (was ja faktisch alles unterhalb der GeForce GTX 670 betrifft). Es fehlt schlicht und ergreifend an der entsprechenden Konkurrenz, dies hält die Preise der meisten 28nm-Grafikkarten auf einem vergleichsweise hohen Level und ergibt damit die zu sehenden durchschnittlichen bis schlechten Performance/Preis-Verhältnisse. Daß nVidia so lange braucht, um seine 28nm-Grafikkarten für den Preisbereich von 100 bis 250 Euro an den Start zu bringen, ist wohl der Hauptgrund für die aktuelle Preissituation und damit dem unterdurchschnittlichen Zugewinn an besseren Performance/Preis-Verhältnissen durch die 28nm-Generation. Dies sollte im zweiten Halbjahr 2012 dann endlich besser werden – womit es wenigstens einen vernünftigen Ausblick aus der aktuell immer noch mageren Situation der 28nm-Beschleuniger ergibt.

		AMD		nVidia
Chip	Ausfertigung	Name	Release	Name	Release
HighEnd AMD: R1000/Tahiti nVidia: GK104	DualChip	Radeon HD 7990	Juli/August	GeForce GTX 690
	1. Variante	Radeon HD 7970 "GHz Edition"		GeForce GTX 680
	2. Variante	Radeon HD 7970		GeForce GTX 670
	3. Variante	Radeon HD 7950		GeForce GTX 670 SE (?)	Q3
	4. Variante	Radeon HD 7930	Q3 (?)	GeForce GTX 660 Ti	Q3
Performance AMD: Pitcairn nVidia: GK106	1. Variante	Radeon HD 7870		GeForce GTX 660	Anfang September
	2. Variante	Radeon HD 7850		GeForce GTS 650 Ti	Q3 (?)
	3. Variante	Radeon HD 7830 (?)	Q4 (?)	anscheinend nicht geplant
Mainstream AMD: Cape Verde nVidia: GK107	1. Variante	Radeon HD 7770 v2	August	GeForce GTS 650 (?)	August (?)
	2. Variante	Radeon HD 7770 v1		GeForce GT 640
	3. Variante	Radeon HD 7750 v2	August	anscheinend nicht geplant
	4. Variante	Radeon HD 7750 v1		anscheinend nicht geplant