Wohin werden sich die Preise der 28nm-Grafikkarten entwickeln?

Samstag, 7. April 2012
 / von Leonidas
 

Als die Radeon HD 7970 Anfang Januar – bei nur ~18% arg mäßigem Performanceaufschlag gegenüber der GeForce GTX 580 als dem Spitzenmodell der 40nm-Generation – mit Preisen von ca. 500 Euro in den Handel ging, konnte man diese hohe Preislage noch als den üblichen Aufschlag sowohl für das erste Produkt einer neuen Generation als auch für das schnellste aktuell verfügbare SingleChip-Produkt ansehen. Klar war aber von Anfang an, daß damit der Grafikkartenkäufer für die Mehrperformance der 28nm-Generation auch entsprechend mehr zahlt – im deutlichen Gegensatz zu früheren Generationswechseln, wo die Mehrperformance zum gleichen oder annähernd gleichen Preis wie die Vorgängergeneration geboten wurde, die (seinerzeit) neue Generation also mit einem bemerkbar besseren Preis/Leistungsverhältnis in den Markt trat. Nach dem Release weiterer 28nm-Lösungen von AMD und der ersten 28nm-Lösung von nVidia muß nun allerdings konstatiert werden, daß die 28nm-Beschleuniger durchgehend nicht einmal ein kleines Stück bessere, sondern teilweise sogar etwas schlechtere Preis/Leistungsverhältnisse gegenüber den 40nm-Beschleunigern anbieten.

Bekannterweise wird diese Situation vornehmlich durch die weiterhin schwach laufende 28nm-Chipproduktion und gleichzeitig durch die hohen Anlaufkosten der 28nm-Fertigung begründet. In gewissem Sinne dienen die hohen Einstiegspreise der 28nm-Grafikkarten durchaus dem Ausgleich eben dieser hohen Anlaufkosten der 28nm-Fertigung – aber primär bleiben die Preise oben, weil schlicht nicht genügend Chip-Nachschub für eine durch niedrigere Preislagen ausgelöste Nachfragewelle existiert. Wer jetzt die Preise herunterdreht, wird nur von der Nachfrage überrannt, kann aber trotzdem nicht mehr ausliefern, sondern liefert halt dieselbe Menge nur zu einem niedrigerem Preis aus – keine gute Idee aus Sicht der Hersteller und Händler. Leider wird sich an dieser Situation kurzfristig auch nichts ändern, da kürzlich bekannt wurde, daß Chipfertiger TSMC erst zum Ende des dritten Quartals soviele 28nm-Chips wie nachgefragt produzieren kann.

Nichtsdestotrotz – und dies wird angesichts der aktuellen Preislage gern vergessen – muß das Ziel bestehenbleiben, daß die 28nm-Grafikkarten ihre Mehrperformance irgendwann einmal faktisch kostenlos anbieten, dies ist schließlich der eigentliche Sinn einer neuen Fertigungstechnologie. Es mag sein, daß die 28nm-Chips über ihre Lebensdauer gerechnet trotzdem etwas teurer sind als die 40nm-Chips, aber dies gleicht sich zum Teil wieder dadurch aus, daß die 28nm-Generation wahrscheinlich länger im Markt stehen wird (die Zeiträume zwischen zwei Generationen vergrößern sich halt), zum anderen machen die reinen Grafikchips auch nur einen gewissen Teil der Kosten einer Grafikkarte aus und können höhere Preise für allein die 28nm-Grafikchips die Kosten für die gesamte Grafikkarte nicht derart explodieren lassen wie derzeit zu sehen.

Am Ende kommt es eigentlich überall auf dieselbe simple Rechnung heraus: Eine Grafikkarte mit einer TDP von 150 Watt wird unter 28nm in etwa genauso viel kosten wie eine Grafikkarte mit 150 Watt TDP unter 40nm. Beide Grafikchips dürften in etwa dieselbe Größe aufweisen und damit (bei ausgereifter Fertigung) grob dieselben Produktionkosten haben, das Grafikboard hat bei derselben TDP in etwa dieselbe Komplexität und damit ebenfalls dieselben Kosten. Natürlich gibt es hier und da dennoch Kostensteigerungen – wie durch schnelleren Speicher, wie durch höhere Chippreise am Anfang der 28nm-Fertigung – aber dafür gibt es auch Komponenten wie beispielsweise die Platine oder die Spannungsversorgung, welche sich (bei gleicher TDP) kaum ändern und welche daher tendentiell sogar günstiger werden können. In der Vergangenheit haben wir über die Generationen gleichbleibene Preise bei sogar steigenden TDPs gesehen, sprich es wurden sogar immer aufwendigere Grafikkarten-Designs zum letztlich gleichen Preis geboten.

Damit dies auch unter der 28nm-Generation passiert, müssen die Preise dieser Grafikkarten aber noch maßgeblich nach unten gehen. Und somit ist es auch nicht wirklich vermessen, von einer Radeon HD 7870 eine perspektivische Preislage wie bei der Radeon HD 6870 zu verlangen: Die Radeon HD 7870 steht im 28nm-Portfolio exakt an dieser Stelle, wo die Radeon HD 6870 im 40nm-Portfolio steht (jeweils erste Lösung des Performance-Segments) – und bei Chipfläche (212mm² zu 255mm²) sowie dem Spiele-Verbrauch (127W zu 137W) als grober Richtschnur für die Komplexität des Grafikkarten-Designs ist die Radeon HD 7870 jeweils im Vorteil. Im Klartext: Wäre die Liefersituation an 28nm-Chips nicht so schwach, wäre es regelrecht lachhaft, wieso sich die Radeon HD 7870 (derzeit 290-320 Euro) nicht dem Preispunkt der Radeon HD 6870 (derzeit 140-150 Euro) wenigstens annähern kann, die Kostenlage sollte bei der Radeon HD 7870 perspektivisch sogar niedriger als bei der Radeon HD 6870 ausfallen.

Nun kann man den Herstellern zu gute halten, daß zum einen durch die Anlaufkosten der 28nm-Fertigung vielleicht wirklich nicht so schnell die aktuell sehr niedrigen Preispunkte der 40nm-Grafikkarten möglich sind und daß zum anderen eben diese 40nm-Preispunkte teilweise auch schon Abverkaufsniveau haben, ergo also teilweise nicht direkt mit "normalen" Preisen verglichen werden können. Aber dennoch ergibt sich aus den vorstehenden Ausführungen ein erhebliches Preisnachlaß-Potential bei den 28nm-Grafikkarten – natürlich nach unten hin. Selbst wenn die Performancegewinn der 28nm-Grafikkarten am Ende nicht gänzlich kostenlos zu bekommen sind, so sind doch erhebliche Preisabschläge gegenüber den aktuellen Preisen möglich und dürften – unsere Prognose – sich über die Zeit auch im Grafikkarten-Markt einfinden.

Dabei gehen wir davon aus, daß sich über den Sommer bis in den Herbst hinein leider nur scheibchenweise etwas bewegen wird, weil bis zu diesem Zeitpunkt die Liefermengen an 28nm-Grafikchips einfach zu gering für größere Preisoffensiven sind. Über diese fünf bis sechs Monate wird sich – insgesamt betrachtet – natürlich trotzdem ein beachtbarer Preisnachlaß ergeben, wir würden diesen auf ca. 20 Prozent schätzen, welcher bis zum Herbst 2011 bei den 28nm-Grafikkarten erreichbar ist. Zu diesem Zeitpunkt sollte beispielsweise eine GeForce GTX 680 auf ca. 400 Euro abgesunken sein – jene Preislage, welche in der 40nm-Generation die (allerdings auf einem deutlich größeren Chip basierende und mit einem klar aufwendigerem Design antretende) GeForce GTX 580 einnahm. Die anderen 28nm-Grafikkarten dürften dann ebenfalls entsprechend abgesenkte Preislagen aufweisen, welche den 28nm-Grafiklösungen erstmals das durchgehend bessere Preis/Leistungsverhältnis gegenüber den (dann sicher schon ausgelaufenen) 40nm-Lösungen bescheren wird, ohne aber daß der diesbezügliche Vorteil schon wirklich beachtbar groß wäre.

Erst mit dem vierten Quartal werden sich wahrscheinlich deutlichere Anreize für schnellere Preissenkungen ergeben: Erstens einmal sollte dann endlich die 28nm-Fertigung auf Hochtouren laufen, zweitens dürfte der Launch des GK110-Chips eine neue klare Bestmarke für SingleChip-Grafikkarten setzen und damit die Preise der bis dahin führenden SingleChip-Lösung GeForce GTX 680 herunterdrücken, was dann auch Auswirkungen auf das restliche Portfolio haben wird. Zudem bietet die Vorweihnachts-Zeit und gleichzeitig der Release von Windows 8 mit der entsprechenden Belebung des PC-Geschäfts genügend Grund für die Hersteller, mit Preisnachlässen um Marktanteile zu kämpfen. Über den Jahreswechsel hinweg dürfte dementsprechend preislich einiges in Bewegung kommen und am Ende dieses Prozesses voraussichtlich im Frühjahr 2013 ein weiterer markanter Preispunkt erreicht sein, welchen wir derzeit auf grob 40 Prozent Nachlaß gegenüber der jetzigen Preislage einschätzen.

40nm-Vorgänger Preis Dez. 28nm-Nachfolger Preis April Preis-Prognose
Radeon HD 6970
Performance: 240%
Spieleverbrauch: 205W
270-300€ Radeon HD 7970
Performance: 330% (+38%)
Spieleverbrauch: 211W
440-490€ mittelfristig ~350€ (-20%)
langfristig ~270€ (-39%)
Radeon HD 6950
Performance: 220%
Spieleverbrauch: 163W
210-230€ Radeon HD 7950
Performance: 290% (+32%)
Spieleverbrauch: 154W
380-410€ mittelfristig ~280€ (-26%)
langfristig ~220€ (-42%)
Radeon HD 6870
Performance: 190%
Spieleverbrauch: 137W
140-150€ Radeon HD 7870
Performance: 260% (+37%)
Spieleverbrauch: 127W
290-320€ mittelfristig ~220€ (-24%)
langfristig ~160€ (-44%)
Radeon HD 6850
Performance: 160%
Spieleverbrauch: 121W
115-130€ Radeon HD 7850
Performance: 220% (+38%)
Spieleverbrauch: ~110W
210-240€ mittelfristig ~170€ (-19%)
langfristig ~130€ (-38%)
Radeon HD 6770
Performance: 115%
Spieleverbrauch: 87W
80-95€ Radeon HD 7770
Performance: 145% (+26%)
Spieleverbrauch: 74W
125-140€ mittelfristig ~110€ (-12%)
langfristig ~90€ (-28%)
Radeon HD 6750
Performance: 100%
Spieleverbrauch: 67W
75-90€ Radeon HD 7750
Performance: 110% (+10%)
Spieleverbrauch: 41W
90-100€ mittelfristig ~80€ (-11%)
langfristig ~70€ (-22%)
GeForce GTX 580
Performance: 280%
Spieleverbrauch: 238W
390-420€ GeForce GTX 680
Performance: 360% (+29%)
Spieleverbrauch: ~190W
480-510€ mittelfristig ~400€ (-17%)
langfristig ~300€ (-38%)
mittelfristige Preis-Prognose = Herbst 2012, langfristige Preis-Prognose = Frühjahr 2013

In welchen Preisen dies für die einzelnen 28nm-Grafikkarten resultieren sollte, ist der obigen Tabelle zu entnehmen, wobei die konkreten Preispunkte natürlich nur bessere Annahmen sind (abgeleitet aus den geschätzten Herstellungskosten sowie der Marktstellung der jeweiligen Grafikkarten), eine gewisse Spielbreite also eingerechnet werden sollte. Am Ende ist dies jedoch alles nur eine wohlfeile Überlegung: Niemand kann obige Preisnachlässe garantieren – wir stellen eine Vermutung aufgrund belegbarer Grundsätzlichkeiten auf, mehr aber auch nicht. Passieren kann aber immer noch alles mögliche, gerade über den (im IT-Geschäft) langen Zeitraum bis zum Frühjahr 2013 hin.

Allerdings sind vorstehende Annahmen immer noch recht vorsichtig gehalten, denn wie am Vergleich mit der Vorgänger-Generation zu sehen, gehen wir nicht davon aus, daß die 28nm-Grafikkarten überall das Preisniveau der aktuellen 40nm-Generation erreichen werden. Dies erscheint aufgrund einiger wirklich am Boden liegender 40nm-Preise (wie bei Radeon HD 6850/6870) schwer erreichbar – grundsätzlich spricht ebenfalls dagegen, daß sich die Hersteller noch einige Pfeile für die im Jahr 2013 folgende 28nm-Refreshgeneration im Köcher lassen werden. Vermutlich werden wir erst am Lebensende dieser 28nm-Refreshgeneration (im Jahr 2014) diese exzellenten Preislagen wieder erleben, welche wir derzeit bei den auslaufenden 40nm-Beschleunigern sehen.

Was bleibt damit allgemein zu prognostizieren? Die generelle Prognose lautet, daß die Preise der 28m-Grafikkarten zumindest nicht kurzfristig erheblich sinken werden, sondern vielmehr kurz- bis mittelfristig nur sehr langsam heruntergehen dürften. Frühestens ab dem Herbst könnte sich dieser Prozeß beschleunigen, erst dann sind auch bedeutsam bessere Preislagen als aktuell zu erwarten. Die wirklich interessanten Preise zu den 28nm-Grafikkarten dürfte es aber erst zum Jahreswechsel 2012/2013 geben. Ein früherer Zeitpunkt wäre aus Sicht der Grafikkarten-Käufer natürlich nur zu begrüßen, leider fehlt für eine solche Prognose derzeit aber jeglicher Ansatz. Man kann nur hoffen, daß es im weiteren Jahresverlauf diesbezüglich bessere Nachrichten gibt, ansonsten wird diese Prognose am Ende wohl zutreffen.

Die andere große Frage ist, was die Grafikkarten-Käufer letztlich mit dieser Situation anfangen werden. Immerhin kann "Warten" in diesem Fall einen wirklich erheblichen Preisvorteil bedeuten – anderseits ist die Wartezeit auch ungewöhnlich lang und Anwender, welche die Aufrüstung einfach benötigen, werden wohl trotzdem zuschlagen. Trotzdem könnte die Aussicht auf kommende bessere Preislagen und vielleicht nicht der ganze große Aufrüstdruck viele Anwender dazu verleiten, dann doch einfach einmal abzuwarten. Eine gewisse Käuferzurückhaltung könnte dann den benötigten Preisverfall beschleunigen, da sich somit die Lager der Herstellern und Distributoren eher füllen und einen gewissen Verkaufsdruck auslösen. In diesem Sinne wurde auch unsere neueste Umfrage entworfen, welche nachfragt, zu welcher Preislage die 28nm-Grafikkarten zum Kaufobjekt werden würden.