Der RV870-Chip

Sonntag, 31. Januar 2010
 / von Leonidas & TechNickel
 

Nur absolut kurz wollen wir auch den RV870-Chip selber im Vergleich zu den Vorgängerchips von ATI und den aktuellen Chips von nVidia eingehen, da hierzu eigentlich alles schon gesagt ist. Grob ist der RV870-Chip eine Verdopplung des RV770/RV790-Chips unter der Hinzunahme von DirectX11. Damit gibt es die enorme Menge an 1600 Recheneinheiten, was in einer sehr hohen (theoretischen) Rechenleistung resultiert. Allerdings hat ATI das Speicherinterface nicht vergrößert, so daß es bezüglich der Speicherbandbreite keinen großen Sprung gegenüber den Vorgängerlösungen gibt.

GeForce GTX 285 GeForce GTX 295 Radeon HD 4870 X2 Radeon HD 5870
Chipbasis nVidia GT200b, 1400 Millionen Transistoren in 55nm auf 470mm² Die-Fläche 2x nVidia GT200b, 2x 1400 Millionen Transistoren in 55nm auf 2x 470mm² Die-Fläche 2x ATI RV770, 2x 956 Millionen Transistoren in 55nm auf 2x 256mm² Die-Fläche ATI RV870, 2150 Millionen Transistoren in 40nm auf 334mm² Die-Fläche
Technik DirectX 10, 240 Shader-Einheiten, 80 TMUs, 32 ROPs, 512 Bit DDR Interface DirectX 10, 480 Shader-Einheiten, 160 TMUs, 64 ROPs, 2x 448 Bit DDR Interface DirectX 10.1, 1600 Shader-Einheiten, 80 TMUs, 32 ROPs, 2x 256 Bit DDR Interface DirectX 11, 1600 Shader-Einheiten, 80 TMUs, 32 ROPs, 256 Bit DDR Interface
Taktraten 648/1476/1242 MHz 576/1242/1000 MHz 750/1800 MHz 850/2400 MHz
Speicher 1024 MB GDDR3 2x 896 MB GDDR3 2x 1024 MB GDDR5 1024 MB GDDR5
Rechenleistung 1063 GFlops 1788 GFlops 2400 GFlops 2720 GFlops
Texturierleistung 52 MT/sec 92 MT/sec 60 MT/sec 68 MT/sec
Bandbreite 159 GB/sec 224 GB/sec 230 GB/sec 154 GB/sec
Layout DualSlot DualSlot DualSlot DualSlot
Stromanschlüsse 2x 6pol. 1x 6pol. und 1x 8pol. 1x 6pol. und 1x 8pol. 2x 6pol.
Kartenlänge 27cm 27cm 27cm 28cm
Straßenpreis (1024 MB) 280-310 Euro 380-420 Euro ausgelaufen 340-370 Euro

Lösbar war die Verdopplung gegenüber dem RV770-Chip für ATI nur durch den Einsatz der 40nm-Fertigung – wobei dieser Technologieschritt so erfolgreich war, daß der RV870-Chip trotz seiner nahezu komplett verdoppelten Hardware grob gesehen nicht mehr Strom verbraucht als die vorhergehenden RV770/RV790-Chips. Allerdings stellen die rund 150 Watt Spieleverbrauch einer Radeon HD 5870 trotzdem fast die Grenze dessen dar, was bei einer SingleChip-Grafikkarte gangbar ist – viel Luft für weitere Taktratensteigerungen ist da scheinbar nicht vorhanden. Zudem hat ATI endlich das Problem des zu hohen Idle-Verbrauchs bei der letzten HighEnd-Generation gelöst, Radeon HD 5850 und 5870 werden von ATI nunmehr mit 27 Watt Idle-Verbrauch angegeben, was sich auch durch unabhängige Messungen bestätigen läßt.

Idle Spiele FurMark TDP
GeForce GTX 285 29W 186W 214W 204W
GeForce GTX 295 71W 300W 317W 289W
Radeon HD 4850 43W 126W 148W 114W
Radeon HD 4870 53W 140W 187W 157W
Radeon HD 4890 58W 154W 211W 190W
Radeon HD 4870 X2 75W 303W 373W 286W
Radeon HD 5850 20W 111W 150W 27W/170W
Radeon HD 5870 20W 149W 200W 27W/188W

Vor allem aber sticht man in Punkto Leistungsaufnahme die aktuellen Angebote von nVidia klar aus, welche noch auf der 55nm-Fertigung basieren und für eine geringere Spieleperformance teilweise deutlich mehr Strombedarf aufweisen. Aber auch die alte DualChip-Lösung Radeon HD 4870 X2 wird durch die Radeon HD 5850/5870 Karten aufs Altenteil geschickt, da die Radeon HD 5870 faktisch die gleiche Hardware und Rohleistung wie die Radeon HD 4870 X2 zu einer allerdings deutlich niedrigeren Stromaufnahme anbietet – kein Wunder, daß diese alte DualChip-Lösung auf Auslauf gesetzt wurde und derzeit schon kaum noch erhältlich ist.

Weitere Verbesserungen des RV870-Chips liegen bei der Bildqualität: So wurde der anisotrope Filter nunmehr komplett winkelunabhängig gestaltet, so wie bei den nVidia-Grafikkarten ab dem G80-Chip. Zudem wurde der "brilineare" Filter (ein Mix aus trilinearen und bilinearem Filter) abgeschafft, ATIs neuer anisotroper Filter ist nunmehr auf dem Papier vorbildlich. Allerdings wurden anscheinend nicht alle der mitlaufenden Filter-"Optimierungen" abgeschafft: So neigt auch der neue anisotrope Filter des RV870-Chips weiterhin zum Texturenflimmern, ausgelöst durch eine (irreguläre) Unterfilterung. Sehr gut ist dies auf den von HT4U aufgenommenen Vergleichsvideos mit unserem neuen 3DCenter Filter Tester zu sehen.

Allerdings scheint ATI mit dem RV870-Chip zumindest gegenüber den RV770/RV790-Chips eine Verbesserung beim Texturenflimmern erreicht zu haben – gemäß verschiedener Praxistests erreicht man damit sogar das Bildqualitäts-Niveau von nVidias Standard-Modus. Der "HighQuality"-Modus von nVidia liegt diesbezüglich in der Praxis aber immer noch vor der Bildqualität von ATIs RV870-Chip – sehr schade, daß ATI hier nicht noch einen Schritt weiter gegangen ist, gerade angesichts der niedrigen Performance-Anforderungen von nVidias "HighQuality"-Modus (5 bis maximal 10 Prozent).

Besser macht es ATI dagegen beim Anti-Aliasing, wo man nunmehr (zusätzlich) bis zu 8x rotated grid Supersampling Anti-Aliasing bietet. Bei Supersampling Anti-Aliasing wird das Bild schlicht intern in einer entsprechend höheren Auflösung gerendert, was im Gegensatz zum gewöhnlichen Multisampling Anti-Aliasing nicht nur die Kanten glättet, sondern auch alle Texturen und damit auch innerhalb von Texturen liegende Kanten. Eigentlich hatte man ja Supersampling Anti-Aliasing vor Jahren zugunsten des leistungssparenderen Multisampling Anti-Aliasing aufgegeben – doch heuer nun ist dafür ausreichend Performance vorhanden.

Zudem ergibt sich durch den stärkeren Einsatz von transparenten Texturen und das vermehrte Auftreten von Shader-Aliasing auch ein Anreiz bezüglich der Bildqualität, wieder auf Supersampling Anti-Aliasing zu setzen – in diesen Fragen kann Multisampling Anti-Aliasing nämlich gar nichts ausrichten. Leider wirft Supersampling Anti-Aliasing aber auch Kompatibilitätsprobleme mit einigen PostProcessing-Effekten sowie generell mit DirectX 10/11 Spielen auf, da in letzteren Anti-Aliasing ausschließlich nur vom Spiel angefordert werden darf und die allermeisten DirectX 10/11- piele derzeit noch nichts mit ATIs neuem Supersampling Anti-Aliasing anzufangen wissen.

GT200/b RV770/RV790 RV870
standardmäßiger anisotroper Filter winkelunabhängig, brilinearer Filter, kleinere mitlaufende Optimierungen winkelabhängig, brilinearer Filter, diverse mitlaufende Optimierungen vollkommen winkelunabhängig, volltrilinearer Filter, anscheinend keine mitlaufenden Optimierungen
Verbesserungsmöglichkeiten anisotroper Filter alle Optimierungen einzeln abschaltbar, zudem ein extra "HighQuality"-Modus: vollkommen winkelunabhängig, volltrilinearer Filter, keine mitlaufenden Optimierungen keine keine
Flimmerneigung Standard-Modus: gering, "HighQuality"-Modus: kaum noch vorhanden durchschnittlich gering
Multisampling Anti-Aliasing 2x/4x rotated grid, 8x sparse grid 2x/4x rotated grid, 8x sparse grid 2x/4x rotated grid, 8x sparse grid
Multisampling Zusatzmodi CoverageSampling: 8x, 16x CustomFilter: 12x, 16x, 24x CustomFilter: 12x, 16x, 24x
Transparenz Anti-Aliasing Multisampling & Supersampling Supersampling Supersampling
Supersampling Anti-Aliasing - - 2x/4x rotated grid, 8x sparse grid
Spielbezogene Einstellungsoptionen im Treiber ja nein nein
Schneller Profilwechsel über Systray oder Desktop nein ja ja

Auch weil die Performance selbst einer Radeon HD 5870 nicht in jedem Spiel und Setting für Supersampling Anti-Aliasing ausreicht, ist es sehr bedauerlich, daß ATI sich nicht doch dazu durchgerungen hat, im Catalyst-Treiber spielbezogene Einstellungsoptionen zu ermöglichen. Ein neues Feature ist schließlich immer nur so schlagkräftig, wie einfach es zu bedienen ist. Wenn man jedoch jedesmal im Treiber händisch die Einstellungen für alle Spiele ändern muß, nur um das perfekte Setting für ein Spiel zu erreichen, dann ist man weit von einer guten Nutzbarkeit entfernt. ATI kann sicherlich darauf hoffen, daß zukünftige Spiele das Supersampling Anti-Aliasing vielleicht direkt im Spiel anbieten, für den Augenblick wären spielbezogene Optionen im Treiber jedoch nicht verkehrt. Die bei ATI vorhandene Profil-Funktion ermöglicht zwar ein schnelles Umschalten zwischen vordefinierten Modi, aber eben nicht die anwendungsbezogene automatische Auswahl von vordefinierten Settings.