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Hersteller & Händler: Wer macht die Prozessoren- und Grafikkarten-Preise im Einzelhandel?

Zur donnerstäglichen News ergab sich der interessante Diskussion-Ansatz dazu, in welchem Maßstab Angebot & Nachfrage den Markt an PC-Gütern regelt bzw. wie stark die jeweiligen Hersteller die Einzelhandel-Preise kontrollieren können. Theoretisch sollte es natürlich rein an Angebot & Nachfrage liegen – allerdings kontrollieren die Hersteller indirekt sowohl die im Verkaufs-Kanal (aka "Channel") herumfliegende Warenmenge als auch haben jene über ihre eigenen Abgabepreise den größten Hebel bezüglich der Endkunden-Preise selber in der Hand. Bei der Warenmenge arbeiten letztlich Hersteller & Distributoren zusammen, um heruntergehende Preise zu verhindern. Da die Margen im Handel üblicherweise klein sind, kann sich der Handel solcherart Kapriolen buchstäblich nicht leisten – womit der Einfluß der Hersteller auf die gesamte Vertriebskette steigt.

GeForce RTX 3080 10GB Verkaufspreis Brutto-Marge Einkaufspreis weitere Kosten
Einzelhandel $699 (ohne MwSt.) ~10-15% ca. $610 Lagerhaltung, Verkauf, Transport, RMA
Distributor ca. $610 ~10% ca. $550 Lagerhaltung, internationaler Transport, Zoll, RMA
Grafikkarten-Hersteller ca. $550 ? ? Entwicklungs-Kosten, Grafik-Board, Kühlkonstruktion, Lagerhaltung, RMA
nVidia ~~$300-400 ? ? Entwicklungs-Kosten, Grafikchip (~$77), Speicher (~$70-100), Lagerhaltung, RMA
Anmerkung: ungenaue Schätzwerte, demzufolge irrbar!

Stichwort Margen im Handel: Hier liegt der zweite große Hebel der Hersteller, diesesmal die Preisgestaltung im Endkunden-Geschäft betreffend. Theoretisch geben AMD, nVidia und Intel nur unverbindliche Preisempfehlungen ab, rein praktisch können sie mit ihren eigenen Abgabepreisen an die Grafikkarten-Hersteller (üblicherweise ein Paket aus Grafikchip & Speicher) jedoch sogar recht genau kontrollieren, welche Einzelhandels-Preise möglich sind. Denn die Margen bei den drei nachfolgenden Gliedern der Vertriebskette (Grafikkarten-Hersteller, Distributor & Einzelhandel) sind üblicherweise gering, jene müssen dann aus ihren niedrigen Margen auch noch ihre eigenen Kosten berappen. Der Punkt hierbei ist: Liegen zwischen Einkauf & Verkauf nur wenige Prozentpunkte, dann limitieren sich die Möglichkeiten einer Preissenkung auf eigene Kosten sehr erheblich.

Kein Distributor ist also in der Lage, einfach mal 20% im Preis runterzugehen – dies wäre unterhalb seines Einkaufspreis und würde somit unmittelbar Verlust bedeuten. Dies wäre nur denkbar bei einem zwingenden Abverkauf, sprich ein Sonderfall, keineswegs Teil des normalen Geschäftsablaufs. Im Einzelhandel ist es prinzipiell dasselbe und die Grafikkarten-Hersteller sollen mehr oder weniger kaum etwas an ihren Grafikkarten verdienen, da die Preispolitik der Grafikchip-Entwickler bekannterweise dafür zu harsch ist. Eine genaue Brutto-Marge läßt sich im Fall der Grafikkarten-Hersteller jedoch leider nicht angeben, jene haben über Entwicklungs- und Hardware-Kosten für Grafikboard und Kühlkonstruktion allerdings auch ganz andere Kostenteile als der Handel zu tragen.

Der Clou liegt hierbei darin: Wenn Einzelhandel, Distributor und Grafikkarten-Hersteller letztlich nur Prozentpünktchen an einer Grafikkarte verdienen – dann gibt es schlicht keine Möglichkeit, mit einer eigenen Preissenkung besonders weit zu kommen. Zu richtiggehend niedrigeren Preisen sind diese drei Glieder der Vertriebskette nicht in der Lage. Man kann hierzu folgende grobe Annahme treffen: Wenn sich Einzelhandel, Distributor und Grafikkarten-Hersteller zusammentun und den eigenen Netto-Gewinn komplett streichen, könnte jene zusammen den Grafikkarten-Preis wohl nur um 10% nach unten drücken. Die Grafikkarten-Hersteller können im Laufe der Verkaufsdauer einer Grafikkarte sicherlich noch etwas mehr herausholen, da jene die Herstellung ihrer eigenen Platinen optimieren und somit eigene Kosten sparen können. Dies machen allerdings alle Grafikkarten-Hersteller gleichzeitig, ein großer Wettbewerbs-Vorteil ergibt sich daraus nicht (nur ein Nachteil, wenn man es nicht tun würde).

Und damit wird klar: Alles, was in Richtung einer beachtbaren bis erheblichen Preissenkung geht, ist Sache der Grafikchip-Entwickler. Nur wenn jener es preislich möglich macht, sind mal 20% Preisabschlag oder mehr drin. Denn nur bei den Grafikchip-Entwicklern existieren die Reserven für solche oder auch noch größere Preisschritte. nVidia hat bekanntlich Brutto-Margen von um die 65% – und dies ist auf den Gesamtkonzern bezogen, beinhaltet also schon die Entwicklungs-Kosten. Rein auf das Produkt bezogen könnten die Margen noch höher sein, eventuell allerdings auch nur zutreffend bei nVidias professionellen Lösungen. Im Fall der GeForce RTX 3080 10GB kann man ganz grob den Abgabe-Preis von Chip & Speicher an die Grafikkarten-Hersteller als im Rahmen von 300-400 Dollar liegend schätzen.

Die Materialkosten selbiger Ampere-Karte dürften schätzungsweise bei der Hälfte dessen liegen – hier ist also jene preisliche Luft, welche Grafikkarten-Hersteller, Distributor & Einzelhandel nicht haben. Jede große Preissenkung, welche nicht unmittelbar Verlust bedeutet, kann letztlich nur aus dieser Marge heraus bestritten werden – der Differenz von Einkaufs- und Verkauspreis des Pakets "Chip & Speicher" seitens des Grafikkarten-Herstellers. Und damit sitzt der Grafikchip-Entwickler einwandfrei auf dem Straßenpreis-Niveau, steuert jenes faktisch, wenn auch indirekt über die nachgelagerte Vertriebskette. Ausnahmen hiervon ergeben sich allein bei Lagerrauswurf-Aktionen oder aber wenn die Nachfrage das Angebot deutlich übersteigt (beispielsweise bei einem Cryptomining-Boom).

Vielleicht sogar noch deutlicher wird dieses Prinzip im Prozessoren-Geschäft, da hierbei das Element eines zwischenliegenden weiteren Herstellers wegfällt. Die Vertriebskette lautet somit nur noch auf "Chip-Entwickler – Distributor – Einzelhandel", zudem wirken sich geringe Größe und geringes Gewicht von PC-Prozessoren kostenlimitierend für den Handel aus, womit auch dessen Brutto-Margen tendentiell leicht geringer liegen dürften. Damit läßt sich viel direkter kalkulieren, was beim Prozessoren-Entwickler letztlich ankommt, im Beispiel eines Ryzen 9 7900X können dies gut 80% des Einzelhandels-Preises sein. Der Spielraum der beiden anderen Beteiligten – Distributor & Einzelhandel – ist damit marginal, schließlich müssen beide in diese restlichen gut 20% noch alle ihre Kosten hineinquetschen.

Ryzen 9 7900X Verkaufspreis Brutto-Marge Einkaufspreis weitere Kosten
Einzelhandel $449 (ohne MwSt.) ~10% ca. $400 Lagerhaltung, Verkauf, Transport, RMA
Distributor ca. $400 ~<10% ca. $370 Lagerhaltung, internationaler Transport, Zoll, RMA
AMD ~$370 ? ? Entwicklungs-Kosten, Prozessor (~$60), Packaging, Lagerhaltung, RMA
Anmerkung: ungenaue Schätzwerte, demzufolge irrbar!

Damit ist dann auch die Steuerung der Einzelhandels-Preise durch die Prozessoren-Entwickler viel direkter. Selbst jegliche mittlere Preissenkung, die man irgendwo sieht, hat damit anzunehmenderweise ihre Ursache in besseren (internen) Abgabepreisen seitens des Prozessoren-Entwicklers selber. Diese These wird gut durch die Praxis belegt, wenn der tägliche Preiskampf der Einzelhändler untereinander bei PC-Prozessoren auffallend (und abweichend von anderen IT-Gütern) im Bereich einzelner Euro bis hinein in den Cent-Bereich stattfindet. Während die Einzelhändler bei Grafikkarten zur Absatzankurbelung um 10-20 Euro heruntergehen (und um damit in den Preisvergleichen vorn zu stehen), geht es bei Prozessoren jeweils nur um einzelne Euro nach unten. Der preisliche Spielraum der Einzelhändler ist bei Prozessoren wohl beachtbar niedriger als bei Grafikkarten.

Ein weiterer Beleg dieser Thesen liegt in den Preisen für ältere Intel-Prozessoren. Normalerweise müsste man denken, dass selbige preislich irgendwann einmal nachgeben sollten. In der Praxis war es hingegen regelmäßig so, dass Intels Alt-Generationen jahrelang vom Einzelhandel zu nahezu unverändert (hohen) Preislagen mitgeschleppt wurden, bis es dann irgendwann wegen eines EOL-Status keine Nachlieferungen mehr gab und diese Modelle aus dem Handel verschwanden. Dies kann letztlich nur funktionieren, wenn der Handel keine Macht über das Preis-Niveau hat, denn ansonsten würde jener natürlich für Alt-Generationen einen günstigeren, Absatz-fördernden Preispunkt wählen. Da Intel seine eigenen Abgabepreise jedoch nicht verändert und die Handelspannen für Distributoren & Einzelhändler viel zu knapp für eigene Preisschritte sind, bleiben diese Prozessoren-Preise bis zum Auslauf-Status hoch.

Letztlich ist das ganze allerdings auch kein großes Wunder: AMD, Intel & nVidia stehen im Wettbewerb zueinander, demzufolge benötigen jenen dieses Maß an Preiskontrolle. Es nützt den Herstellern schließlich nichts, wenn im Handel alle der Hersteller-eigenen Kalkulationen über Bord geworfen werden. Die Chip-Entwickler legen den Handel zwar nicht direkt an die Kette, aber über die eigenen Abgabepreise und die üblicherweise geringen Handelspannen erfolgt letztlich ganz automatisch eine gewisse Steuerung der Einzelhandels-Preise. Selbige werden nach wie vor von den Einzelhändlern selber festgelegt, aber die geringe Spielbreite, welche jene dabei zwischen eigenem Einkaufspreis und bereits vorhandenem Marktpreisen haben, läßt kein groß abweichendes Preisniveau zu.

Inwiefern dies zum hehren Vorsatz von "Angebot & Nachfrage" passt, läßt sich sicherlich diskutieren. Alle Preise werden dennoch am Markt gebildet und zweifellos findet täglich der Preiskampf der Einzelhändler statt, während hinter den Kulissen auch der Preiskampf der Distributoren ablaufen sollte. Aber der direkten Konfrontation mit dem Glaubenssatz von "Angebot & Nachfrage" versucht man in dieser Branche eher aus dem Weg zu gehen, dafür sind diese Produkte zu teuer, zu speziell und haben zu lange Herstellungs-Zeiten. Den Markt zu fluten mit Riesenmengen geht halt nur, wenn man sich sicher ist, diese Mengen so oder so irgendwie wieder absetzen zu können. Dies macht sich generell schlecht bei Saison-Ware, welche in 1-2 Jahren unmodern ist – im Gegensatz zu Standard-Gütern wie Öl oder Holz, welche man notfalls einlagert und später verkauft.

Und somit sieht man das vollumfängliche Wirken von "Angebot & Nachfrage" bei IT-Produkten in aller Regel nur in Sondersituationen, meist wenn zu wenig Ware für zu viel Bedarf da ist. Dann verdoppeln sich die Heatset-Preise im Zuge des HomeOffice-Booms anno 2020 oder verdreifachen sich die Grafikkarten-Preise im Zuge des Cryptomining-Hypes anno 2021. Den gegenteiligen Fall gibt es eigentlich nicht, dass tatsächlich gravierend zu viel Ware da wäre und die Preise demzufolge ins bodenlose fallen. Meistens handelt es sich hierbei nur um gewisse Übermengen, welche dann einfach über die nachfolgenden Monate gestreckt werden (RTX30-Serie Ende 2022) – um eben dem temporären Preisverfall zu entgehen, wenn man alles auf einmal in den Markt schicken würde. Das volle Spiel von "Angebot & Nachfrage" ist generell nur bei Standard-Gütern sichtbar, bei speziellen Gütern mit technologischem Verfallsdatum funktioniert dies nur sehr eingeschränkt.

PS: Die vorstehend notierten Zahlen-Beispiele sind logischerweise fehlbar, da hierzu eigentlich zu wenige belastbare Informationen existieren. Primärer Ausgangspunkt ist eigentlich nur die eigene Erfahrung des Verfassers wegen eines (früheren) Jobs im Großhandel. Dennoch können natürlich die konkreten Zahlen anders sein, im schlimmsten Fall sogar deutlich anders sein. Bei beiden Beispielen wurde als Einzelhandelspreis mit dem jeweils aktuellen Listenpreis gerechnet – ohne aber zu wissen, welche Preise die Chip-Entwicklers jeweils derzeit tatsächlich ansetzen. Es handelt sich hierbei in beiden Fällen um reine Beispiel-Kalkulationen, allein um die Differenzen aufzuzeigen zwischen Einzelhandels-Preis und dem, was davon dann jeweils beim Chip-Entwickler ankommt – und was somit der Spielraum der zwischengelagerten Parteien ist.

Die Chip-Preise wurden auf Basis der bekannten Chipfläche mittels des Silicon Cost Calculator kalkuliert. Dabei wurden durchgehend 90% Yield sowie folgende Wafer-Preise angesetzt: $6'000 für Samsung 8nm, $10'000 für TSMC 6/7nm, $16'000 für TSMC 5nm. Jene Hochrechnung ist schon allein deswegen ungenau, da nicht bekannt ist, ob AMD und nVidia ihre Chip-Hersteller nach gefertigten oder eventuell nur nach funktionierenden Chips bezahlen (neben weiteren erheblichen Unsicherheiten, beispielsweise beim Wafer-Preis). Die genannten Speicher-Preise sind eine grobe Schätzung anhand früherer Preisangaben zu GDDR6-Speicher, für welche jedoch keineswegs die Hand ins Feuer gelegt werden kann: Weder ist der GDDR6X-Aufpreis bekannt, noch die aktuelle Preistendenz bei diesen Grafikkarten-Speichern. Vor allem aber fehlt die Relation zwischen den Abgabe-Preisen von Bauteil-Händlern und jenem Preis, zu welchem AMD & nVidia mit ihren garantierten Millionen-Abnahmen an diesen Speicher herankommen.