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EVGA steigt aus dem Grafikkarten-Geschäft aus

Der Hardware-Hersteller EVGA beendet zukünftig sein Grafikkarten-Geschäft in kompletter Form. Man wird nur noch die aktuelle GeForce RTX 30 Serie weiterhin abverkaufen, danach aber keine neuen Grafikkarten mehr auflegen (Support, Garantie und RMA für alle verkauften EVGA-Karten laufen natürlich weiter). Diese Absage gilt sowohl für die langjährige Exklusiv-Partnerschaft mit nVidia, als auch (zum aktuellen Zeitpunkt) für eventuelle Partnerschaften mit AMD & Intel. EVGA wird sich trotz des damit einhergehenden Verlusts von gut 75% des bisherigen Unternehmens-Umsatzes zukünftig auf andere Produkte konzentrieren. In Europa war EVGA möglicherweise nur einer von vielen Grafikkarten-Herstellern, aber in den USA war man sowohl medial als auch geschäftlich eine sehr große Nummer, stand für 40% aller US-Absätze von nVidia.

Hintergrund dieser Entscheidung dürfte sein, dass das Grafikkarten-Geschäft für die Boardpartner ein immer schwierigeres, weniger Gewinn-trächtiges geworden ist. Ein aktueller Artikel seitens Jon Peddie Research beleuchtet diesen Punkt exzellent und bringt dazu auch mehrere interessante Info-Grafiken, wie auch die beiden hier angebildeten. Die obenstehende Grafik zeigt dabei die Entwicklung der Bruttomarge zwischen nVidia und den Grafikkarten-Hersteller (AIBs) über die Jahre – welche sehr deutlich dafür spricht, dass für die Grafikkarten-Hersteller jenes Geschäft immer unrentabler geworden ist. Gleichzeitig streicht nVidia immer größere Teile der sehr wohl sprudelnden Gewinne des Grafikkarten-Geschäfts für sich ein. Für das Jahr 2021 sieht es natürlich unglaubwürdig aus, wenn die Grafikkarten-Hersteller während der extremen Preisübertreibung nicht mehr verdient haben sollen – aber dies ist ja auch nur eine temporäre Ausnahmeerscheinung, ab 2023 dürfte wieder der "normale" Kurvenverlauf regieren.

Zum einen läßt sich dies über die explodierenden Entwicklungskosten bei nVida begründen, was dann die untenstehende Grafik zeigt: Im Jahr 2000 waren dies gerade einmal 90 Mio. Dollar – im Jahr 2022 sollen hingegen 7,6 Mrd. Dollar erreicht werden, eine Steigerung auf das 84fache (+22,3% jedes einzelne Jahr). Gleichzeitig gilt aber natürlich, dass nVidia über die Jahre zu einem hochprofitablen Unternehmen geworden ist, ein substantieller Teil der Gewinne eben nicht (nur) in Forschung & Entwicklung geflossen ist, sondern in Richtung der Aktionäre ging (was natürlich auch das grundlegende Ziel eines Wirtschafts-Unternehmens ist). Zugleich hat man über die dauerhaft dominanten Marktanteile eine ungesunde Stellung gegenüber allen seinen Partner aufbauen können, womit jene immer mehr von ihren früheren Gewinnen an nVidia abgeben mussten, um im Geschäft zu bleiben.

Oben drauf kommt hier noch der Punkt, das das Verhältnis der Grafikkarten-Hersteller zu nVidia weithin als "schwierig" beschrieben wird. Jon Peddie Research notieren hierzu die Anekdote einer kürzlichen nVidia-Preissenkung zur GeForce RTX 3090 Ti FE, welche den Boardpartnern überhaupt nicht vorher kundgetan wurde, womit nVidia im US-Handel von dem einen auf den anderen Tag seine "Partner" massiv selber unterboten hatte. Andere Anekdoten sprechen von Grafikkarten-Herstellern, welche bei der Fachpresse nach Pressetreibern für neue Grafikkarten nachfragen mussten, da sie selber von nVidia bislang keine ordentlichen Treiber bekommen haben (natürlich primär eine Vorsichtsmaßnahme gegenüber Leaks im AIB-Umfeld in Fernost).

Sehr wohl bekannt sind auch die regelmäßigen Klagen der Grafikkarten-Hersteller, dass nVidia zu ungünstige Verkaufskonditionen für neue Grafikkarten ansetzt, zuletzt passiert beim Ampere-Launch. Seinerzeit gab es einige Branchenstimmen, welche GeForce RTX 3080 für 699 Dollar und GeForce RTX 3070 für 499 Dollar als (wirtschaftlich) "unrealisierbar" hielten. Dieses Problem wurde seinerzeit nur durch in Folge des Cryptomining-Hypes (extrem) hochziehende Grafikkarten-Preise überdeckt. Dabei sind beide Karten prinzipiell wohl für diesen Preis baubar, das zugrundeliegende Ärgernis stellt eher der hohe Anteil des Pakets "Chip+Speicher" zugunsten von nVidia dar. Das daraus resultierende Problem der Grafikkarten-Hersteller lautete somit darauf, dass innerhalb der Differenz dieses Pakets gegenüber dem Listenpreis keine solche Grafikkarte wirtschaftlich herzustellen ist – sprich, der nVidia-Anteil zu hoch war.

Die bei Gamers Nexus (Link zur exakten Video-Stelle) dargelegte EVGA-Aussage, wonach man mit jeder Grafikkarte gleich "hunderte Dollar" Verlust machen soll, klingt allerdings arg unglaubwürdig. Schließlich würde eine solche krasse Misskalkulation dann auch alle anderen Grafikkarten-Hersteller betreffen – und dass eine ganze Branche ein solch klares Minus akzeptiert, erscheint kaum vorstellbar. Sicherlich war es anno 2020 schwer bis unmöglich, eine GeForce RTX 3080 für 699 Dollar zu bauen – aber die Differenz bis zur Wirtschaftlichkeit dürfte im geringfügigen Bereich liegen, nicht im Bereich hunderter Dollar pro Grafikkarte. An dieser Stelle dürfte Rasseln zum Handwerk gehören – sprich, man übertreibt einen sicherlich vorhandenen Mißstand, um Unbeteiligten die Schwere des Problems wohlklingender darlegen zu können.

Denn letztlich dürfte der hohe nVidia-Anteil an den Gesamtkosten primär "nur" in die Gewinnsphäre der Grafikkarten-Hersteller geschnitten haben: Jene mussten höhere Verkaufspreise ansetzen, wenn sie noch Gewinn machen wollten. Allerdings muß man auch sagen, dass 2 Jahre später dieselbe Grafikkarte üblicherweise eine klar geringere Kostenlage hat als zu deren Release (langfristiger Erfahrungswert). Die Aussage von EVGA, heuer mit einer GeForce RTX 3080 auf 750 Dollar Verkaufspreis "hunderte Dollar" Verlust zu machen, wäre vor dem Beleg des Gegenteils eher unter "Märchenstunde zur Erklärung der eigenen Wahrheit" einzuordnen. Im gesamten kann man natürlich trotzdem vollens die Aussage treffen, dass die Grafikkarten-Hersteller ziemlich unter der Knute von nVidia leben sowie wirtschaftlich von dem leben müssen, was nVidia übrig läßt.

Und dies ist natürlich keine langfristig tragfähige Konstruktion. In einem normalen Markt würde man sich andere Chip-Lieferanten suchen, doch im derzeitigen Grafikkarten-Markt mit 2, zukünftig vielleicht 3 Chip-Entwicklern ist das nicht ganz so einfach. Hier koppelt sich der Markterfolg enorm an die Wahl des Chip-Lieferanten – oder anders formuliert: Der Markt hat für die Grafikkarten-Hersteller zu wenige echte Wahlmöglichkeiten, um wirklich frei agieren zu können. EVGA hat das Problem nun gänzlich anders gelöst: Man verzichtet lieber auf drei Viertel der bisherigen Unternehmensgröße und konzentriert sich nachfolgend auf Märkte mit besseren Gewinnaussichten. Und dies ist dann auch eine Aussage darüber, wie "lukrativ" der Grafikkarten-Markt für die Grafikkarten-Hersteller (zu Normalzeiten) ist. Pointiert könnte man sagen, dass EVGA in HighEnd-Netzteilen für nVidia-Grafikkarten mehr Erfolgsaussichten für sich sieht als in nVidia-Grafikkarten selber.

Nachtrag vom 19. September 2022

Extra zu erwähnen wäre noch das Editorial von Igor's Lab zur EVGA-Absage ans Grafikkarten-Geschäft, da hiermit noch einmal eine ganz andere Perspektive geboten wird. Danach hatte es EVGA als Nicht-Platinenhersteller (im Gegensatz zu Asus, MSI, Gigabyte mit eigener Platinen-Fertigung) deutlich schwerer, Gewinne mit Grafikkarten zu erwirtschaften. Die Bruttomarge liegt in diesem Fall bei nur noch grob 5%, sprich der Hälfte der Hersteller mit eigener Fertigung (was ja auch bei diesen nicht viel ist). EVGA hatte sich zudem mittels wertigen Karten-Designs, großzügiger Garantie und bewußter Nichtverlagerung des Unternehmens nach Fernost generell in einer Lage manövriert, wo man nochmals schwerer Gewinne machen konnte. Dies konnte wohl langfristig nicht gut gehen und wurde über die Phase des Cryptomining-Hypes eigentlich nur kaschiert, wäre aber nachfolgend wieder als Problem aufgetaucht.

Ergo hat EVGA vermutlich einfach nur rechtzeitig die Reißleine gezogen – nach den sicherlich guten Einnahmen der Jahre 2020-2022 und bevor das Grafikkarten-Geschäft wieder in ein Normalmaß zurückfällt, wo es schwer ist, Gewinne zu erwirtschaften. Dass sich nVidias Rabatte zum Ampere-Abverkauf der (vagen!) Gerüchteküche nach an Lovelace-Bestellungen koppeln, könnte auch der Grund für die aufgezeigte EVGA-Kalkulation sein, derzeit mit jeder GA102-Karte massiv Verlust zu machen – einfach, weil man diese Rabatte als ausscheidender nVidia-Partner nicht mehr erhält. Aber dies ist so oder so nur der Kater nach dem Rausch, innerhalb des Cryptomining-Hypes sollte auch EVGA gut verdient haben. Das Problem sind und waren die langfristigen Aussichten: Die niedrige Bruttomarge und nVidias eng anliegende Zügel passten vielleicht einfach nicht mehr zur Unternehmensphilosophie.

Denn wie es schon notiert wurde: EVGA verliert nunmehr 75% seines vorherigen Umsatzes – gleiches wird allerdings nicht zum Gewinn vermeldet, welcher zu Normalzeiten primär von EVGAs anderen Geschäftsfeldern kommen soll. Im Gegensatz zu anderen Grafikkarten-Herstellern der Vergangenheit, welche nach dem Abschied vom Grafikkarten-Geschäft dachten in ein anderes Technik-Feld umsatteln zu können, hat EVGA letztlich schon ein gutes Standbein in anderen Geschäftsfeldern. Aus dieser Lage heraus war es vielleicht einfacher für die EVGA-Führung, das Grafikkarten-Geschäft kritisch zu betrachten – und nunmehr abzuschießen primär aus dem Grund, dass es einfach nicht die Profitabilitätserwartungen erfüllt. Innerhalb der Wirtschaft ist dies letztlich ein ganz normaler Vorgang, dass man sich von unlukrativen Sparten trennt. Dafür müssen nicht zwingend Verlustberge aufgehäuft worden sein, manchmal reicht auch einfach nur der Blick auf den Vergleich von Bruttomarge zu Kapitaleinsatz.