Launch-Analyse: AMD Radeon R9 285

Dienstag, 2. September 2014
 / von Leonidas
 

AMD hat eigentlich derzeit ein sehr rundes Portfolio an Grafikkarten im Markt stehen – mit sehr wenigen Schwächen und sehr vielen vor allem beim Preis/Leistungs-Verhältnis attraktiven Lösungen. So erscheint es als etwas verwunderlich, daß AMD nunmehr die eigentlich erst im März diesen Jahres vorgestellte Radeon R9 280 nunmehr schon durch eine Radeon R9 285 auf noch dazu der Basis eines neuen Grafikchip ablöst. Jener Tonga-Grafikchip wurde deswegen in der Vorab-Berichterstattung regelmäßig als kleingeschrumpfte Ausführung des Tahiti-Chips der Radeon R9 280 & 280X Karten beschrieben – doch AMD überrascht an dieser Stelle, der neue Tonga-Chip trägt sogar klar mehr Transistoren und ist nahezu genauso groß wie der Tahiti-Chip.

Im genauen legt Tonga gegenüber Tahiti von 4,31 auf 5,0 Milliarden Transistoren gut zu, bringt dies jedoch in von 365 auf 359mm² minimal geschrumpfter Chipfläche unter. Angesichts dessen, daß AMD zwischen Tahiti und Tonga das dicke 384 Bit Speicherinterface auf ein handlicheres 256 Bit DDR Speicherinterface reduziert hat und wahrscheinlich die meisten für professionelle Zwecke benötigten Transistoren komplett entfallen sind (DoublePrecision-Einheiten), dafür der einzige konkrete Zuwachs jedoch nur in der Verdopplung der Raster-Engines von 2 auf 4 liegt, überrascht insbesondere die Transistoren-Anzahl. Vorab konnte man von grob 3,5 Milliarden Transistoren auf einer Chipfläche von nur 280mm² ausgehen – die nun von AMD angegebenen 5,0 Milliarden Transistoren auf 359mm² Chipfläche sind wesentlich mächtiger bzw. größer als man vorab ahnen konnte.

Leider gab AMD bislang nicht bekannt, wieviel Hardware-Einheiten der Tonga-Chip insgesamt trägt – möglicherweise erfahren wir die Auflösung auf diese Frage auch erst, wenn AMD nächstes Jahr die Radeon R300 Serie auflegt. Die für die Radeon R9 285 derzeit angegebenen 1792 Shader-Einheiten an einem 256 Bit DDR Speicherinterface zeigen in jedem Fall angesichts der Transistoren-Anzahl eine deutliche Hardware-Abspeckung an, vermutlich sogar eine große Hardware-Abspeckung des Tonga-Chips. Da AMD aber an dieser Stelle arg mit Informationen geizt, fällt alles weitere in diesem Feld derzeit in das Feld der Spekulationen bzw. wird auch für die weitere Betrachtung der Radeon R9 285 auch nicht zwingend benötigt.

Radeon R9 280 Radeon R9 285 Radeon R9 280X GeForce GTX 760
Chipbasis AMD Tahiti, 4,31 Mrd. Transistoren in 28nm auf 365mm² Chipfläche AMD Tonga, 5,0 Mrd. Transistoren in 28nm auf 359mm² Chipfläche AMD Tahiti, 4,31 Mrd. Transistoren in 28nm auf 365mm² Chipfläche nVidia GK104, 3,54 Mrd. Transistoren in 28nm auf 294mm² Chipfläche
Architektur GCN 1.0, DirectX 11.2a, Mantle GCN 1.2, DirectX 11.2b, Mantle & TrueAudio GCN 1.0, DirectX 11.2a, Mantle Kepler, DirectX 11.0, PhysX
Technik 2 Raster-Engines, 1792 Shader-Einheiten, 112 TMUs, 32 ROPs, 384 Bit DDR Interface 4 Raster-Engines, 1792 Shader-Einheiten, 112 TMUs, 32 ROPs, 256 Bit DDR Interface 2 Raster-Engines, 2048 Shader-Einheiten, 128 TMUs, 32 ROPs, 384 Bit DDR Interface 3-4 Raster-Engines, 1152 Shader-Einheiten, 96 TMUs, 32 ROPs, 256 Bit DDR Interface
Taktraten ≤933/2500 MHz ≤918/2750 MHz ≤1000/3000 MHz 980/1033/3000 MHz
Speicher 3 GB GDDR5 2 GB GDDR5
(4 GB mit Aufpreis angekündigt)
3 GB GDDR5 2 GB GDDR5
(4 GB mit Aufpreis verfügbar)
Layout DualSlot DualSlot DualSlot DualSlot
Kartenlänge 26-30cm
(Herstellerdesigns)
22-27cm
(Herstellerdesigns)
27-30cm
(Herstellerdesigns)
24,5cm
(Referenzdesign)
Stromstecker 1x 6pol. + 1x 8pol. 2x 6pol. 1x 6pol. + 1x 8pol. 2x 6pol.
TDP 250W 190W 250W 170W
Idle-Verbrauch ~15W 13W 16W 11W
Spiele-Verbrauch ~180W 182W 213W 160W
Perf.Index
(19x10 4xAA)
330% 330% 380% 310%
Listenpreis 249$ 249$ 299$ 249$
Straßenpreis 170-190 Euro 230-250 Euro
(kurz nach Launch)
220-240 Euro 190-210 Euro
Release 4. März 2014 2. September 2014 8. Oktober 2013 25. Juni 2013

Ausgehend von den Rohleistungen wird sofort offensichtlich, wo sich die Radeon R9 285 einordnen muß: Die neue Tonga-basierte Karte liegt in nahezu allen Disziplinen gleich wie die Radeon R9 280. Nur die Rasterizer-Leistung ist aufgrund der verdoppelten Anzahl an Raster-Engines sehr viel höher, womit ein großer Kritikpunkt am Tahiti-Chip angegangen wurde. Zugleich ist die Speicherbandbreite und auch die default-Speicherbestückung um ein glattes Drittel geringer, hier liegt die große (nominelle) Schwäche der Tonga-basierten Radeon R9 285 gegenüber der Tahiti-basierten Radeon R9 280. Insbesondere die nur 2 GB default-Speicherbestückung ist schmerzlich, weil dies aktuell für das Preissegment der Radeon R9 285 vielleicht knapp ausreichen mag, schon in naher Zukunft jedoch zu wenig sein könnte. Zwar wird es die Radeon R9 285 auch als 4-GB-Ausführung geben, aber hierfür wird ein Mehrpreis fällig werden, welcher bei den ebenfalls per default nur mit 2 GB ausgerüsteten GeForce GTX 760 bei immerhin ca. 40 Euro liegt.

Speziell das kleinere Speicherinterface wurde seitens AMD jedoch bewußt derart gewählt, da die Radeon R9 285 nunmehr als Mitteklasse-Grafikkarte herauskommt – im Gegensatz zu den ersten Tahiti-basierten Lösungen in Form der Radeon HD 7900 Serie, welche seinerzeit die schnellsten HighEnd-Grafikkarten am Markt darstellten. Heutzutage muß die Radeon R9 285 in ihrem Käuferkreis ergo kaum höheren Auflösungen als 1920x1080 ableisten, werden Nutzer höherer Auflösungen wohl schon fast automatisch zu einem generell leistungsstärkeren Modell greifen. Zudem greift gegen die nominelle Tonga-Schwäche bei der Speicherbandbreite eine der Verbesserungen der GCN 1.2 Architektur ein: Eine (verlustfreie) Farbkompression, welche Speicherbandbreite (aber wohl nicht Speicherplatz) sparen hilft.

Eine andere Verbesserung der GCN 1.2 Architektur liegt in einer deutlich höheren Tesselationsleistung, welche selbst abzüglich des Effekts des verdoppelten Raster-Engines zwischen Tahiti und Tonga ungefähr um den Faktor 2 zugelegt hat. Auch in diesem Punkt hat AMD einen Schwachpunkt früherer AMD-Grafikchips effektiv beseitigt. Ansonsten bringt die GCN 1.2 Architektur nicht wirklich durchschlagende Neuerungen – es ist ein kleiner, fließender Fortschritt, aber noch lange nicht genug, um das Siegel "GCN 2.0" vergeben zu können. Intern benutzt AMD diese Nummerierung sowieso nicht, sondern ordnet Tonga schlicht der dritten GCN-Generation zu.

GCN 1.0 GCN 1.1 GCN 1.2
offizieller Name erste GCN-Generation zweite GCN-Generation dritte GCN-Generation
DirectX-Level DirectX 11.2 Tier 1 DirectX 11.2 Tier 2 DirectX 11.2 Tier 2
Grafikchips Oland, Cape Verde, Pitcairn & Tahiti Bonaire & Hawaii Tonga
Verbesserungen komplett neuer Ansatz mit "1D" Shader-Einheiten & Shader-Clustern á 64 Shader-Einheiten samt 4 TMUs Erhöhung der Anzahl an ACEs von 2 auf 8 (primär für GPGPU-Einsatz gedacht) aktualisiertes Instruktions-Set, (deutlich) verbesserte Tesselations-Performance, Delta-Farbkompression zur Reduzierung des Bandbreitenbedarfs insbesondere in höheren Auflösungen

Noch etwas in der Schwebe ist der wirkliche DirectX-Support von Tonga. AMD wirbt hier zwar schon mit "DirectX 12", aber es ist nicht klar, ob damit nur die Software-Features gemeint sind, welche auch die früheren AMD-Grafikchips sowieso unterstützen werden – oder aber die Hardware-Features. Leider sind letztere derzeit noch nicht final (wie die gesamte DirectX-12-Spezifikation) und es ist noch nicht einmal sicher, ob DirectX 12 überhaupt neue Hardware-Feature mitbringen wird. Bevor wenigstens halbwegs sichere Informationen hierzu auftauchen, wäre es jedoch etwas vermessen, die Radeon R9 285 – AMD folgend – schon als "DirectX-12-fähig" zu klassifizieren. Gemäß des derzeit bekannten sicheren Wissens besitzt die Radeon R9 285 Hardware-Fähigkeiten für DirectX 11.2 Tier 2, in Kurzform gern DirectX 11.2b genannt.

Ebenfalls eine Annahme der Vorab-Berichterstattung zum Tonga-Grafikchip war, daß jener sein Werk unter einem klar niedrigeren Stromverbrauch würde erledigen können. Dies kommt derzeit jedoch gemäß der vorliegenden Meßwerte der reinen Grafikkarten noch nicht so deutlich heraus bzw. sind die Meßwerte auch noch stark schwankend: 215 Watt Spiele-Verbrauch werden bei der PC Games Hardware gemessen, dafür aber nur 159,5 Watt bei HT4U – obwohl die HT4U-Meßwerte ansonsten tendentiell immer am oberen Ende liegen. In Schnitt der vorliegenden Messungen kommt für die Radeon R9 285 ein Spiele-Stromverbrauch von immerhin 181 Watt heraus – ähnlich viel wie bei der Radeon R9 280 und deutlich höher als bei GeForce GTX 760 und Radeon R9 270X. Der große Effizienzbringer scheint die Radeon R9 285 also nicht zu sein – was aber auch kein Wunder ist bei dem dicken verbauten Grafikchip.

Hardware.fr Heise HT4U PCGH TechPowerUp Tom's HW Ø TDP/Perf.
Radeon R9 290 20W
246W
20W
?
18,6W
289,4W
21W
241W
16W
214W
19W
253W
460%
250W
Radeon R9 280X 18W
211W
16,3W
228,6W
13W
182W
16W
213W
380%
250W
Radeon R9 285 14W
191W
12,3W
159,5W
17W
215W
9W
189W
?
176W
13W
182W
330%
190W
Radeon R9 280 11,6W
180,0W
21W
189W
~15W
~180W
330%
250W
Radeon R9 270X 12W
154W
10,4W
144,7W
7W
111W
10W
142W
290%
180W
GeForce GTX 760 12W
136W
11,9W
169,0W
10W
163W
10W
148W
11W
160W
310%
170W
Radeon HD 7950 "Boost Edition" 16W
187W
15,3W
180,0W
11W
152W
14W
178W
320%
200W
Der obere Wert einer Zelle ist immer der Idle-Stromverbrauch, der untere Wert einer Zelle immer der Spiele-Stromverbrauch. In der Durchschnitts-Spalte ("Ø") fettgedruckte Werte basieren auf Berechnungen, die nicht fettgedruckte Werte sind Schätzungen. Die letzte Spalte enthält Angaben zur offiziellen TDP (unten) sowie zum 3DCenter Performance-Index (oben).