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Landgericht Hamburg fordert urheberrechtliche Prüfung vor jeder Linksetzung

Es gab im September mal ein EuGH-Urteil, welches sich gegen die Linkfreiheit richtete. Seinerzeit handelte es sich zwar um einen ziemlich klaren Fall (der Linksetzer war sich über die Urheberrechtsverletzung vorab bewußt), aber die Urteilsbegründung bot Anlaß zur Sorge, da selbige eine urheberrechtliche Prüfungspflicht vor Linksetzung vorsah. Genauso konnte man dies seinerzeit jedoch auch als Einzelfall abtun bzw. darauf hoffen, das lokale Gerichte dies dann wieder anders sehen – womit wir nun eines besseren belehrt werden: Denn wie Heise ausführen, hat das Landgericht Hamburg in einem weitaus weniger schweren Fall dieses EuGH-Urteil angewandt und durchgesetzt – und damit auch in Deutschland eine urheberrechtliche Prüfung vor Linksetzung angeregt. Der konkrete Fall ist dabei sehr gut zur Demonstration geeignet, wie weit man dabei übers Ziel hinausgeschossen ist: Der Linksetzer wurde in Haft dafür genommen, das ihm nicht bewußt war, das auf der verlinkten Webseite ein Bild dessen CC-Lizenz nicht exakt eingehalten hatte – sprich, das Bild durfte sogar abgebildet werden, nur waren die in der CC-Lizenz vorgeschriebenen Lizenzangaben nicht vollständig (es fehlte der Hinweis auf die eigene Bearbeitung).

Dies ist sicherlich der niedrigstmögliche Urheberrechtsverstoß – und daß das Landgericht Hamburg es hier trotzdem notwendig sah, den Verlinker (nicht dem Seiteninhaber!) für selbigen schuldig zu sprechen, eröffnet sicherlich eine neues Kapital im (langen) Buch der bundesdeutschen Internet- und Urheberrechts-Torheiten. Faktisch würde man als Seiten- oder Blogbetreiber damit dazu genötigt werden, sämtliche Seiten und Unterseiten eines Verlinkungsziel vorab auf eventuelle urheberrechtliche Verstöße zu kontrollieren – und wer denkt, so etwas irrationales kann doch niemand verlangen, dem sei gesagt, das die Hamburger Richter genau das in ihr Urteil hineingeschrieben haben, Zitat: "sich durch Nachforschungen zu vergewissern, ob der verlinkte Inhalt rechtmäßig zugänglich gemacht wurde". Die Hamburger Richter kamen dabei sogar auf die Idee, das der Verlinker doch vor Verlinkung den Seitenbetreiber abfragen solle, ob jener alle Urheberrechte auch wirklich respektiert.

Klarzustellen wäre, das die Linksetzung nur dann zum Streitfall werden kann, wenn der Seiteninhaber kommerziell ist – sprich, Privatpersonen, die sich in Foren oder sozialen Netzwerken äußern, sind hiervon nicht betroffen. Ein klein wenig vakant ist jedoch noch der Punkt, ob der Hamburger Richterspruch wirklich alle Unterseiten betrifft oder nur die konkret verlinkte Unterseite – dies kommt in aller Berichterstattung nicht genau herüber. Selbst aber auch nur bei einem Bezug rein auf die konkret verlinkte Unterseite ergibt sich ein erhebliches rechtliches Risiko, weil jene sich schließlich ändern kann bzw. wenn auf Startseiten verlinkt wird, auch zwangsläufig im Laufe der Zeit ändern wird. Offengelassen wurde zudem der Punkt, ob man die verlinkte Webseite eigentlich in Zukunft regelmäßig auf vielleicht neu hinzugekommene Urheberrechtsverstöße kontrollieren muß – vielleicht gibt es für solche erst nachträglich rechtswidrigen Fälle dann Strafrabatt, aber einen Urheberrechtsverstoß zuungunsten des Verlinkers stellen jene womöglich genauso dar.

Im jeden Fall schüttet das Netz nunmehr erst einmal Hohn und Spott über die Hamburger Richter aus (die nebenbei gesagt ihre ganz eigene Historie der schandhaften Urherrechtsurteile haben, hier trifft es sicherlich nicht die Falschen). So fühlt sich der Heise-Verlag unsicher, ob man überhaupt noch zum Landgericht Hamburg verlinken darf – und erbittet von jenem eine rechtlich bindende Bestätigung, das auf keinen Webseiten des Landgerichts Hamburg irgendwelche Urheberrechtsverstöße zu finden sind (der Amtsschimmel hat sogar geantwortet). Fefe hat bei dieser Gelegenheit herausgefunden, das sich das Landgericht Hamburg per Impressum von allen Ansprüchen gerade bei Verlinkung auf andere Webseiten freizustellen versucht – was der eigenen Rechtsauffassung dann aber doch deutlich widerspricht. Und bei Au-Ja! ist man dagegen des ganzen Rechtswahns überdrüssig, distanziert sich vom Landgericht Hamburg und erklärt einfach sein eigenes Urheberrecht.

Und mit etwas anderem als Galgenhumor kann man diesen Richterspruch auch nicht nehmen – denn jener dürfte nun zum Anlaß genommen werden von findigen Anwälten in der ganzen Bundesrepublik, ähnliche Fälle zu finden und dann dem Opfer (urheberrechtlich "Geschädigtem") ein Vertretungsangebot gegenüber dem Verlinker abzugeben. Ob ein Fall alt ist und vergessen längst in den Archiven schlummert, ob eine einstmals verlinkte seriöse Webseite inzwischen dreimal den Besitzer gewechselt hat, spielt für den Anfang eines veritablen Rechtsstreit sicherlich keine Rolle – das Hamburger Urteil ist wohl eine der größten Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen für Rechtsanwälte (und Gerichte) aller Zeiten. Denn minimale Urheberrechtsverstöße und Linksetzungen darauf sind allein im bundesdeutschen Internet sicherlich millionenfach zu finden – und die Gerichtsfreiheit macht es im Fall des Internets möglich, sich immer die dafür "passenden" Richter auszusuchen. Wie sich dieser Fall friedlich wie sinnvoll auflösen lassen könnte, ist derzeit leider noch nicht zu sehen – man kann fast nur darauf hoffen, das niemand von dieser Rechtsmöglichkeit Gebrauch macht.

Nachtrag vom 11. Dezember 2016

U.a. die Telepolis hat sich tiefergehend mit dem kürzlichen Urteil des Landgerichts Hamburg zur Linkhaftung beschäftigt – man weist auf die vielfältigen Implikationen durch dieses Urteil hin und stellt gleichzeitig dessen rechtliche Schwachpunkte heraus. Gemäß dieser Darstellung ergeben sich durchaus einige Chancen, das sich dieses Urteil nicht halten läßt – denn die Hamburger Richter haben bei ihrem Spruch ganz augenscheinlich nicht bedacht, was für ein Mörderaufwand eine generelle vorherige Linkprüfung mit sich bringen würde. Da der Punkt der Verhältnismäßigkeit nicht nur eine Spielerei, sondern ein fest verbriefter Rechtsgrundsatz ist, müsste der ganze Spuk eigentlich an dieser Stelle in sich zusammenfallen können. Sollte es tatsächlich zu ernsthaften Abmahnwellen in diese Richtung hin kommen, dürfte sich sicherlich auch die Politik einschalten und die gesetzliche Rechtslage entsprechend präzisieren.

Denn der Ausgangspunkt des Hamburger Fehlurteils ist in erster Linie ein Versagen des Gesetzgebers, welcher es seit inzwischen Jahrzehnten vermieden hat, handwerklich solide Internetgesetze aufzulegen und lieber versucht, die Gerichte alle heiklen Fälle hierzu klären zu lassen. Das dies keine gute Idee ist, zeigt insbesondere dieser Streitfall: Gerichte sind (leider) durchaus in der Lage, einen Richterspruch zu fällen, welcher formell dem Buchstaben des Gesetzes entspricht, rein praktisch jedoch einen Schildbürgerstreich erster Güte ergibt – sprich, für eine vollkommen unpraktikable und von wirklich keinem wirklich gewünschte irrationale Rechtslage sorgt. Würde allerdings der Gesetzgeber seiner Aufgabe nachkommen, am besten gleich vorab für klare und logisch nachvollziehbare Regelungen zu sorgen, müssten die Richter auch nicht versuchen, aus den Untiefen von sich teilweise widersprechenden Rechtsnormen neues Recht auszulegen. Klartext: Ein einfaches Gesetz, welches festlegt, was mit Links geht und was nicht, würde alle Probleme lösen – und wäre wohl sogar mit minimalem Arbeitsaufwand erstellbar.

Nachtrag vom 13. Dezember 2016

Im Fall der vom Landgericht Hamburg beschlossenen Linkhaftung gibt es jetzt nun auch eine Antwort eben jenes Gerichts auf die Frage des Heise-Verlages nach der Rechtssicherheit bei Linksetzung auf die Webseiten des Landgericht Hamburg selber. Eine solche Nachfrage beim Seitenbetreiber hatten die Hamburger Richter in ihrem Urteil angeregt, nun waren sie selber sogar der erste Prüfgegenstand – und wollten aber dennoch keine rechtsverbindliche Einschätzung darüber abgeben, ob alle Inhalte auf den Webseiten des Landgerichts Hamburg wirklich rechtmäßig sind. Zwar "geht man davon aus" und aus dem Munde eines Landgerichts ist dies eigentlich mehr als die halbe Miete – aber ob dieselbe Antwort von einer x-beliebigen Internet-Webseite genauso gut aufgenommen wird bzw. vor Gericht Gültigkeit erlangt, darf doch bezweifelt werden. Denn je nach Rechtauffassung und Tagesform kann man die explizite Weigerung einer rechtsverbindlichen Erklärung durchaus als Anlaß dazu nehmen, die Rechtmäßigkeit wirklich aller Inhalte dann eben gerade deswegen zu bezweifeln.

In jedem Fall hätten das Landgericht Hamburg es kaum besser schaffen können, die Irrationalität seines eigenen Urteils in der Praxis zu untermauern. Und in jener Praxis dürften sich die wenigsten Seitenbetreiber mit einem solchen Auskunftsersuchen überhaupt nur beschäftigen – und von rechtsverbindlichen Erklärungen wohlweislich jederzeit absehen, denn damit kann man sich nur ohne Not in rechtliche Schwierigkeiten bringen. Sicherlich dürften die Hamburger Richter an dieser Stelle einwenden, bei Unsicherheit ob der Legalität des Links dann eben lieber auf jenen zu verzichten – nur dann würde das Gebot der Linkhaftung zu einem faktischen Linkverbot führen. Und an dieser Stelle angekommen endet dann spätestens der Spielraum, welcher einem Landgericht zusteht – ob man Links nun setzen sollte oder nicht, ist wenn dann eine Entscheidung der Politik. Und da jene bisher keinerlei Anstalten unternommen hat, die (täglich millionenfach genutzte) Linksetzung irgendwie zu reglementieren, sollte auch ein Landgericht es sich nicht anmaßen, derart hart in allgemeinübliche Freiheiten einzugreifen.