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Filehoster Megaupload abgeschaltet, Domains beschlagnahmt, Betreiber verhaftet

Nach übereinstimmenden Medienberichten ist das US-Justizministerium am Donnerstag in großem Stil gegen den bekannten Filehoster Megaupload vorgegangen: Dessen in den USA stehende Server wurden genauso wie dessen Domains beschlagnahmt (ein großer Vorteil, wenn COM-Domains innerhalb der juristischen Reichweite der USA liegen) sowie die Betreiber – darunter der bekannte Kim Dotcom alias Kim Schmitz – in Neuseeland verhaftet. Megaupload bzw. den Betreibern wird Online-Piraterie urheberrechtlich geschützter Werke mit einer Schadenssumme von 500 Millionen Dollar vorgeworfen, Megaupload selber soll durch seine Aktivitäten immerhin 175 Millionen Dollar an Einnahmen durch Werbung und den Verkauf von Premium-Accounts verdient haben.

Damit erwischt es erstmals einen der großen 1-Click-Hoster – nachdem gerade diese zuletzt als die Zukunft des Filesharings gepriesen worden sind. Allerdings wurde dabei verkannt, daß große Serverstrukturen und die dahinter automatisch befindliche Rechtsstruktur in Form von Firmen, Bankkonten und Mitarbeitern prinzipiell immer angreifbar ist, weil diese deutliche Fußabdrücke in der realen Welt hinterlassen. Zum Verhängnis wurde speziell Megaupload wohl der Punkt, daß man auch Server in den USA angemietet hatte – ein deutlicher Hinweis für andere Filehoster, daß dies ein sicherer Weg zu einem Ermittlungsverfahren gegen das eigene Angebot darstellt.

Ob es mit diesem Fall allerdings zu der – längst überfälligen Neuüberdenkung – urheberrechtlicher Fragen im Internet-Zeitalter kommt, bliebe allerdings zu bezweifeln. Normalerweise müsste der Gesetzgeber irgendeine Lösung für das Dilemma finden, daß solcherart Angebote wie Megaupload letztlich niemals gänzlich zu verhindern sind – außer bei einer Totalkontrolle über das Internet inklusive Eingriffs in den Datenverkehr und die DNS-Konfiguration. Als seinerzeit in der Bundesrepublik das Recht auf Privatkopie geschaffen wurde, war der Ausgangspunkt auch nicht irgendeine kopierfreundliche Gesinnung, sondern schlicht und ergreifend die Erkenntnis, daß die private Kopiererei in der Praxis nicht zu verhindern war und ein kategorisches Verbot nur zu einer nicht beherrschbar hohen Anzahl an Bagatellkriminalität (auf der Anwenderseite) führen würde.

Speziell bei Megaupload handelt es sich natürlich nicht um die Anwenderseite, sondern um die Anbieterseite – und wenn aus Urheberrechts-Verletzungen heraus richtig dick Profit erwirtschaftet wird, kann man keinesfalls mehr von "Bagatellkriminalität" reden, ist die Strafverfolgung – im Sinne der bestehenden Gesetze – sogar verständlich. Das zugrundeliegende Problem, daß es das starke Nutzerinteresse an Filesharing gibt, wird damit aber trotzdem nicht aufgelöst. Es verschwindet nur ein entsprechender Anbieter, andere werden daraus lernen und sich zukünftig besser absichern.

Der Fall Megaupload zeigt – zusammen mit der US-Gesetzesinitiative SOPA – an, daß der Kampf um das Urheberrecht in der Praxis wohl gerade erst richtig anfängt. Es gab zwar in der Vergangenheit bereits ähnliche Fälle (Stichwort Napster), aber jetzt scheint wohl das Zeitalter anzubrechen, wo Vater Staat – unter dem Druck der Rechteinhaber – die ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten auch wirklich auszunutzen beginnt. Dazu gehören die kompromißlose Strafverfolgung großer Urheberrechtssünder (im Gegensatz zu den früheren Zivilklagen) und dann natürlich technische Möglichkeiten wie Webseiten-Sperren und Domain-Beschlagnahmungen – wobei man hierbei durchaus darüber diskutieren kann, ob dies nicht einen gewissen Mißbrauch dieser nur als "Ultima Ratio" anzusehenden Möglichkeiten darstellt.

Nachtrag vom 22. Januar 2012

Schall und Rauch thematisieren den Fall Megaupload im Sinne des Cloud-Speichers – welcher mit Megaupload auch möglich war, was im allgemeinen Copryright-Geschrei gern vergessen wird. Die entsprechenden Anwender, die also Megaupload zu einem völlig legalem Zweck genutzt haben, stehen nun plötzlich ohne alles dar – nur um die Erkenntnis reicher, daß zentrale Datenspeicherung eben doch nicht in jedem Fall vor Datenverlust verschützt. Nun kann man argumentieren, daß eine Cloud bei Apple, Microsoft oder IBM kaum dieselben juristische Probleme wie Megaupload bekommen würde – ein letzter Unsicherheitsfaktor bleibt aber trotzdem, schließlich gibt es auch andere Gründe für eine Schließung und niemand kann in die Zukunft sehen. Unersetzbare Daten sollten ergo immer mehrfach an verschiedenen Orten gesichert sein, vor allem sollte man sich keinesfalls von einzelnen Diensteanbietern abhängig machen.

Nachtrag vom 23. Januar 2012

Der Heise Newsticker berichtet über die deutlichen praktischen Auswirkungen des Falls Megaupload: Gleich drei andere bekannte Filehoster haben ihre Dienste dahingehend eingeschränkt, als daß hochgeladene Dateien nur noch für die ursprünglichen Uploader verfügbar sind bzw. diverse Affiliate-Programm eingestellt wurden. Angesichts der Härte der ergriffenen Maßnahmen gegenüber Megaupload ist dies auch verständlich – kann aber auch ganz schnell zum Tod der ganzen Branche führen. Einzig allein RapidShare macht derzeit laut einer Meldung seitens Gulli den Eindruck, als wäre man hiervon nicht betroffen. Rapidshare kann natürlich als Vorteile in die Waaagschale zum einen seinen Standardort Schweiz werfen, zum anderen ist ein beachtbarer Anteil der Filesharing-Aktivitäten über Rapidshare klar legaler Natur und wird sogar von anderen Unternehmen ganz offiziell und regulär genutzt.