Laut Twitterer Greymon55 hat der "Navi 31" Spitzen-Chip der RDNA3-Generation nunmehr seinen Tape-Out hinter sich gebracht. Dies bedeutet, dass AMD-seitig das Chipdesign fertiggestellt wurde und somit an den Chipfertiger (TSMC) übersandt wird, welcher nachfolgend die erste Charge an Test-Chips auflegt. Jene gehen danach zuerst zum Packaging und dann zurück zu AMD, wo sich eine mehrmonatige Validierungs- und Testphase anschließt. Mittels dieser muß erstens einmal kontrolliert werden, ob sich der neue Chip in der Realität so verhält wie vorher in den Simulationen – dies gilt sowohl bezüglich der reinen Funktionalität, genauso aber auch den elektrischen Eigenschaften von Taktrate und Stromverbrauch, welche man vorab nur schätzen konnte. Im Fall des Falles muß hier ein neues Chip-Stepping mit Fehlerkorrekturen hinterhergeschossen werden, was allerdings den weiteren Ablauf um 1-2 Quartale verschieben kann.

Next generation flagship graphics card has been taped out.
Quelle:  Greymon55 @ Twitter am 29. Oktober 2021

Sofern alles plangemäß läuft, schreitet man dann zur Vorbereitung der Massenfertigung und fängt gleichzeitig an, reale Produkte aus dem Grafikchip aufzubauen – sprich, es werden Grafik-Platinen designt und man spielt mit Chip-Daten, Taktraten, Verkaufsnamen und Preisen. Mit dem Abschluß dieser Arbeiten steht der eigentliche Launch & Verkaufsstart an, welcher bei Grafikchips üblicherweise zwischen 2-4 Quartalen vom Tape-Out entfernt stattfindet, bei Chips basierend auf neuen Architekturen und Fertigungs-Technologien am oberen Ende dieser Skala. Navi 31 scheint diese Spanne dann sogar auf ein fünftes Quartal auszudehnen, denn gemäß früheren Informationen wird der Launch von Navi 31 nicht vor Jahresanfang 2023 stattfinden. Der kleinere Navi-33-Chip wird zwar von AMD später zum Tape-Out geschickt, allerdings dafür (etwas) früher bereits im Oktober 2022 in den Markt gehen, was Greymon55 auch noch einmal explizit bestätigte:

As I've said many times, RDNA3 starts with N33 in Q4 next year.
Quelle:  Greymon55 @ Twitter am 29. Oktober 2021

Hintergrund dieser auf den ersten Blick seltsamen Releasestrategie (Navi 31 zuerst im Tape-Out, aber mit späterem Launch als Navi 33) dürften die höheren technischen Anforderungen von Navi 31 sein: Zum einen handelt es sich um AMDs erstes Chiplet-Design im Bereich der Gaming-Grafikchips, zum anderen darf man bei den Spitzen-Lösungen von Navi 31 mit einer Stromaufnahme im Bereich von gleich 400-450 Watt rechnen. Eventuell spielt hierbei auch noch die teilweise Benutzung der 5nm-Fertigung mit hinein, welche AMD sicherlich anfänglich primär für seine Zen-4-Prozessoren vorsieht und daher Navi 31 & 32 möglicherweise bewußt nach hinten verschieben muß, um für diese genügend Waferkapazitäten freizubekommen. Navi 33 hat dieses Problem nicht, denn selbiger "Midrange"-Chip (mit dem Leistungspotential von immerhin Navi 21) kommt noch komplett aus der 6nm-Fertigung.

Zu erwähnen wäre, dass es Navi 31 bereits auf zwei frühere Tape-Out-Meldungen gebracht hat, welche jedoch wenig glaubhaft sind: Zum einen gab es eine solche bereits für den März 2020 – was jedoch massiv zu früh wäre, denn zweieinhalb Jahre braucht kein PC-Chip bis zur Serienreife. Mit diesem Tape-Out-Termin wäre Navi 31 eher ein Projekt des Jahres 2021 gewesen, was jedoch augenscheinlich nicht der Fall ist. Die andere frühere Tape-Out-Meldung zu Navi 31 setzte hingegen spätestens den Juli 2021 an, was jetzt nicht gänzlich aus der Spur geschlagen ist, von anderen gewichtigen Quellen aber auch umgehend bezweifelt wurde. Auch so sind von Oktober 2021 (Tape-Out) bis Anfang 2023 (Launch) schon eine lange Zeit für einen Grafikchip. Sofern sich an den Releaseterminen nichts ändert, sind frühere Tape-Out-Termine somit nicht wirklich glaubwürdig.

Nachtrag vom 31. Oktober 2021

Twitterer Greymon55 fügt nun noch den Tape-Out-Termin für Navi 32 hinzu – welcher mit dem ersten Quartal 2022 noch einigermaßen in der Zukunft liegt und somit auf einen gewissen Nachzügler innerhalb der RDNA3-Generation hindeutet. Andererseits könnte die Validierungs-Zeit für Navi 32 nach den bei Navi 31 gewonnenen Erfahrungen auch wieder etwas kürzer ausfallen, so dass sich in der Praxis der Launch der jeweiligen Grafikchips nur um ein paar Wochen und nicht um mehrere Monate unterscheiden könnte. Es fügt sich somit das Bild zur RDNA3-Generation langsam zusammen: Zuerst kommt Navi 33 im Oktober 2022, dann folgt zum Jahresanfang 2023 Navi 31 nach und Navi 32 dürfte das ganze dann irgendwann im Frühling 2023 beschließen. Offen bleibt weiterhin, wie das AMD-Portfolio unterhalb von Navi 33 aussieht bzw. ob AMD hierfür tatsächlich noch den oft kolportierten RDNA2-Refresh in der 6nm-Fertigung ansetzt.

n32 Q1 2022 tape-out
Quelle:  Greymon55 @ Twitter am 30. Oktober 2021

Gleichfalls hat Twitterer Kopite7kimi – in Korrektur auf die eine von dieser Stelle verbreiteten Navi 3X Spezifikations-Tabelle – nochmals betont, dass der Navi-33-Chip nur mit 4096 FP32-Einheiten antreten soll. Dies ist abweichend von anderen Angaben, wurde aber in der Gerüchteküche hier und da bereits derart erwähnt, ist also keine gänzlich neue oder unbekannte Angabe. Die Problematik dieser Spezifikations-Angaben liegt allerdings in zwei Dingen: Erstens dem sich dann ergebenden erheblichen Performance-Sprung zwischen Navi 33 (4'096 FP32) und Navi 32 (10'240 FP32), was geradezu unnatürlich viel wäre – und zweitens dem Punkt, dass Navi 33 gemäß übereinstimmender Angaben mit dem Performance-Ziel von "Navi 21 +X" konzipiert wurde.

n33=4096
Quelle:  Kopite7kimi @ Twitter am 30. Oktober 2021

Jenes Performance-Ziel ist allerdings nicht ganz so einfach zu erreichen, wenn Navi 33 mit dem halbierten Speicherinterface, nur der gleichen Menge an Infinity Cache und dann auch noch ein Fünftel weniger FP32-Einheiten antreten sollte. Auf der für Navi 33 angesetzten 6nm-Fertigung kann man auch nicht gerade den großen Taktratensprung erwarten – womit Navi 33 schon nur im bestmöglichen Fall irgendwie die Rechenleistung von Navi 21 erreicht, dann aber bei der Speicherbandbreite massiv zurückliegt. Jener Nachteil verschwindet bei Navi 33 mit gleich 5'120 FP32-Einheiten zwar nicht, aber eine höhere Rechenleistung (durch Mehrtakt sowie Architektur-Verbesserungen) könnte dann zum Ausgleich dieses Nachteils dienen. Für den Augenblick ist dieser Punkt wegen der klar gegensätzlichen Angaben nicht zu klären – und wartet daher kommender, hoffentlich erhellender neuer Informationen.