Die Vista-Problematik

Dienstag, 11. November 2008
 / von BlackBirdSR
 

Die Vista-Problematik

Microsoft sieht Windows Vista als einen revolutionären Schritt. In vielen Bereichen, wie Sicherheit und Treibermodellen, ist er das auch. Manche Benutzer sehen in Windows Vista dagegen oftmals das Anti-Windows. Nervige Schutzabfragen, Treiberproblematik und hohe Systemanforderungen werden als Gründe angeführt. Durch Probleme wie diese ist der Nachfolger von Windows XP bisher nicht so erfolgreich, wie er sein könnte.

Ganz besonders schwer liegt Vista wohl der Stein im Magen, auf dem groß "Spiele" steht. Sicherlich, man besitzt mit DirectX10 ein exklusives Feature, mit dem der Vorgänger nicht aufwarten kann. Diesen Trumpf konnte Vista bisher jedoch nicht ausspielen. Ganz im Gegenteil: Viele Spiele mit DirectX10-Support werden erst einmal langsamer. Ob wegen zusätzlichen Effekten oder Implementierungsdetails ist ja auch egal. Sehr negativ wirken sich aber immer wiederkehrende Meldungen aus, dass Vista auch bei anderen Spielen Performanceeinbußen mit sich bringt. Und dem gehen wir nach!

Generell besteht die Annahme, dass Windows Vista ohne vorherige Entschlackung mit angezogener Handbremse läuft. Eine Vielzahl von Diensten, Prozessen und Hintergrundaktivitäten soll der Performance entgegenwirken und Usern auf den Geist gehen. Dem liegt ein wahrer Kern zugrunde. Zum einen werden in Windows Vista schon von Beginn an mehr Dienste gestartet, als es bei Windows XP der Fall ist. Zum anderen ist Windows Vista weit aggressiver, was Untätigkeit des Nutzers betrifft. Wenn gerade nichts zu tun ist, findet Vista etwas passendes zu tun. Nur muss dies zwingend schlecht sein?

Als Beispiel wollen wir einige oft vorgetragene Performancebremsen vorstellen und deren Einfluss abschätzen.

Windows Vista Such-Index
Der Such-Index geht wohl als eines der "bösartigsten" Features in die Windows-Geschichte ein. Im Prinzip soll dieser Dienst Suchanfragen beschleunigen. Um den schnellen Zugriff auf Suchergebnisse zu gewährleisten, muss Windows Vista zuerst einen entsprechenden Index aufbauen. Langanhaltende Festplattenaktivität ohne ersichtlichen Grund können also durchaus vom Such-Index verursacht werden. Nun kann und sollte der Index nicht alle Daten auf dem PC umfassen. In der Systemsteuerung->System->Index-Optionen kann angepasst werden, welche Ordner im Index enthalten sein sollen.

Wie wirkt sich die Indexerstellung auf die Performance aus? Es ist durchaus richtig, dass die Erstellung sehr viel Zeit in Anspruch nehmen kann. Auch ist die Festplatte währenddessen quasi im Dauereinsatz. Allerdings nur, wenn keine Benutzeraktivität festgestellt wird. Dann fährt die Indexerstellung einen Gang zurück. Einen Performanceunterschied merkt der User in der Regel nicht. Insbesondere Spiele sollten vom Index nicht gestört werden. Natürlich kann der Dienst deaktiviert werden. Notebook-User mit einem Auge auf der Akkuanzeige oder User, die sich von längerer Festplattenaktivität gestört fühlen, könnten davon profitieren.

Speicherverbrauch (Superfetch)
Wenn Vista ein großes Manko besitzt, ist es sicherlich die Speicheranforderung. Allerdings ist die Sache nicht so extrem wie gerne geschildert. Man sollte unterhalb der 1-GB-Grenze keine Wunder erwarten. Die panikartigen Hilferufe von Usern mit 2 GB Speicher, bei denen schon ab Start mehr als 1 GB "verbraucht" sind, sollte man aber etwas differenziert sehen. Auch auf dem Desktop des Autors (4 GB) werden nach dem Start bereits 1,5 GB Speicher als "belegt" angezeigt. Futsch, weg und für Spiele unerreichbar ist der aber mitnichten. Vielmehr arbeitet ein weiterer Vista-Dienst im Hintergrund aktiv daran, häufig benutze Dateien spekulativ in den Speicher zu laden.

Mit relativ hoher Wahrscheinlichkeit ist das nächste aufgerufene Spiel/Programm damit schon zu Teilen verfügbar. Verfolgen lässt sich z.B. nach dem Beenden von Crysis. Die Anzeige für den belegten Hauptspeicher liegt dann bei ca. 450 MB und steigt in den nächsten Sekunden wieder auf 1,5 GB an. Auch diese Funktion lässt sich deaktivieren, ein Performancegewinn ist eher unwahrscheinlich. Trotzdem stimmt es natürlich, dass eine frische Windows-Vista-Installation mehr Speicher für Dienste und Programme benötigt als, dies bei Windows XP der Fall ist.

Aero-Oberfläche (3D-Beschleunigt)
Schon seit Windows XP sagt man sich, je weniger "Eye-Candy" desto besser. Bei Windows-Vista hat das User-Inferface noch einmal einen Schritt hin zu mehr Effekten und Funktionalität getätigt, inzwischen auch mit Beschleunigung durch eine DirectX9-fähige GPU. Dieses Aero muss bestimmt Performance kosten? Täte es auch, würde es während des Spiels weiter berechnet und im Hintergrund dargestellt werden. Tatsächlich verfällt Aero während einer Vollbildanwendung in einen Schlafzustand und zehrt damit nicht an der Grafikleistung.

Dieses Diagramm soll den Performancegewinn bei völlig deaktivierten Spielereien aufzeigen. Windows Vista erinnert dann wieder an die Oberfläche von Windows 2000. Einen wirklichen Performancegewinn erzielt man jedoch nicht. Man möge uns übrigens die geschwärzten Stellen verzeihen. Dem Diagramm begegnen wir sicher wieder, wollen allerdings nicht gleich vorgreifen. Zum Einsatz kam das Comanche4-Timedemo, die Werte sind in Frames pro Sekunde angegeben.

Performanceverlust durch fehlende Soundbeschleunigung (kein Directsound)
Einer der Hauptkritikpunkte an Windows-Vista aus Spielersicht war/ist sicherlich die fehlende Unterstützung für DirectSound. Spiele, die vor dem Release von Vista auf den Markt kamen und kein OpenAL unterstützen, müssen auf Hardware-Beschleunigung verzichten. Das ist zwar ärgerlich, allerdings kein entscheidender Performancefaktor. Zum einen setzten die meisten PCs im Fachhandel auf schwächeren Onboad-Sound, zum anderen helfen Creative Labs und Realtek mit Wrappern nach.

Interessant ist nun die Frage, ob Vergleiche zwischen Vista und XP noch gültig sind, wenn beide auf unterschiedliche Soundbeschleunigung setzen? Bei OpenAL ist die Frage hinfällig. EAX und DirectSound bietet Vista dagegen gar nicht erst an. Hier könnten Benchmarks ins Straucheln kommen. Einen praktischen Vergleich liefert Unreal Tournament 2004. Hier gibt es neben einer CPU-berechneten Soundschnittstelle (Safe), auch Software-A3D und in der 64-Bit Version ausschließlich OpenAL.

Mit Primeval und Dria werden zwei Timedemos aus Unreal Tournament 2004 bezeichnet, die für unsere Zwecke hier völlig ausreichend sind. Die Differenz bezieht sich jeweils auf den Basiswert in der Tabelle (No Audio). Ohne Soundberechnung oder bei einfachen Berechnungen über die CPU (Safe) zieht Windows Vista offenbar gleich. Raumklang per Software oder OpenAL zeigen dann aber bereits einen messbaren Unterschied zugunsten von Windows XP. Dieser Auszug bestätigt sich auch bei weiteren Messungen. Inwiefern sich dieser geringe Unterschied in verschiedenen Spielen manifestiert, ist außer in UT2004 kaum abzuschätzen und wird in den großen Topf "Performanceverlust Ja/Nein?" fallen.

Andere andauernde Festplattenaktivitäten
Wenn die Festplatte auch nach der Indexerstellung oder bereits gefülltem spekulativem Cache rattert, dann können andere Programme dafür verantwortlich sein. Mitunter sind die aber weit kritischer zu sehen. In Windows Vista ist standardmäßig eine Festplatten-Defragmentation per Task-Scheduler eingeplant. Die funkt mitunter auch schon einmal bei einem Spiel dazwischen. Gleiches gilt für den Microsoft-Defender, der gut und gerne dann einen System-Scan ausführt, wenn der Tester seinen Benchmark startet (und 3DCenter-Redakteure testen generell nur Nachts, zwischen 2 und 3 Uhr, zur Task-Scheduler "prime-time"). Beides ist allerdings deaktivierbar. Auch automatische Updates im Hintergrund oder Pop-Up-Fenster von Virenscannern beim Definitions-Update sind Störenfriede. Das gilt aber nicht nur für Windows Vista und sollte für jeden Benchmark beachtet werden.