Launch-Analyse AMD Radeon RX 6900 XT (Seite 3)

Dienstag, 15. Dezember 2020
 / von Leonidas
 

Während die bisherigen RDNA2-Karten genauso wie ihre RDNA1-Vorgänger regelmäßig etwas weniger Strom verbrauchten, als es AMDs TDP-Vorgabe vorsah, geht die Radeon RX 6900 XT ausnahmsweise leicht in die andere Richtung und verbraucht im Schnitt der vorliegenden Meßergebnisse mit 305 Watt Realverbrauch etwas mehr als ihre TDP (von 300 Watt). Die Karte folgt damit der von nVidia vorgegebenen Tendenz, dass speziell Spitzen-Grafikkarten üblicherweise leicht mehr als ihre TDP verbrauchen – wobei unklar ist, ob dies einen auf Seiten der Grafikkarten liegenden Grund hat oder eventuell auch an der Meßmethodik hängen könnte. Insgesamt bleiben die Abweichungen gegenüber der TDP jedoch fast durchgehend gering, allein die Radeon RX 6800 verbraucht wie bekannt beachtbar weniger als ihre TDP zulassen würde.

Stromverbrauch 3060Ti 3070 3080 3090 6800 6800XT 6900XT
Generation & Speicher Ampere, 8GB Ampere, 8GB Ampere, 10GB Ampere, 24GB RDNA2, 16GB RDNA2, 16GB RDNA2, 16GB
ComputerBase 200W 220W 322W 351W 231W 296W 300W
Golem 200W 221W 319W 357W 221W 301W 301W
Guru3D 224W 208W 338W 364W 239W 300W 322W
Hardwareluxx 209W 221W 332W - 265W 334W 338W
Igor's Lab 198W 217W 330W 357W 225W 299W 304W
Le Comptoir du Hardware 198W 216W 326W 363W 227W 307W 309W
Les Numeriques 207W 233W 326W 370W 235W 280W -
PC Games Hardware 202W 221W 330W 355W 232W 302W 301W
TechPowerUp 200W 233W 339W 366W 223W 279W 299W
Tweakers 195W 214W 311W 361W 229W 284W 296W
gemittelter Verbrauch 202W 220W 327W 360W 231W 296W 305W
TDP (GCP/TBP) 200W 220W 320W 350W 250W 300W 300W
gemittelter Verbrauch gegen die (wenigen) deutlich danebenliegenden Werte gewichtet; vorzugsweise FE/Referenz-Modelle (oder gleichwertige); benutzte Herstellerkarten sind in blauer Schrift markiert

AMD hat es damit tatsächlich geschafft, immerhin 8 mehr Shader-Cluster (+11%) ohne Taktraten-Einbußen und mit einer realen Mehrperformance von grob +8% (wenn nicht CPU-limitiert) bei nur +3% Realverbrauch hinzubekommen. Aus Energieeffizienz-Sicht ist die Radeon RX 6900 XT somit um +5% besser als die Radeon RX 6800 XT – ein für Spitzen-Grafikkarten eher seltener Umstand, denn bei jenen fallen üblicherweise alle Hemmungen bzw. werden jene oftmals mittels viel großzügigerer TDPs auf ihre Performance hochgeprügelt. Ob dies mit einer heißeren Karte, schneller drehenden Lüftern und damit einer höheren Geräuschentwicklung einhergeht, sind sich die Testberichte allerdings nicht ganz einig – beide Bewertungen sind zu lesen. Zumindest kommt die Radeon RX 6900 XT in diesen Neben-Disziplinen wie auch schon Radeon RX 6800 & 6800 XT weiterhin auf einem erstklassigen Niveau für Referenz-Designs heraus, üblicherweise sogar etwas besser bewertet als die GeForce RTX 3080.

Ein beachtbarer Unterschied liegt dann in der Übertaktungseignung, welche bei der Radeon RX 6900 XT eher so schwach wie bei den jüngsten nVidia-Grafikkarten ausfällt – es werden reale Performancegewinne von +3-5% berichtet, trotz teilweise astronomisch aussehender Taktraten-Angaben von über 2.6 oder gar bis zu 2.7 GHz. Hier dürften sicherlich die beiden Punkte mit hineinspielen, dass die Radeon RX 6900 XT schon ohne Übertaktung etwas oberhalb ihrer TDP verbraucht und dann nur eine recht maßvolle TGP-Zugabe von +15% erlaubt – was nominell ~40 Watt mehr Spielraum ergibt (TGP 255W, TDP 300W). Damit ist nicht wahnwitzig viel Staat zu machen, wenn die Karte sowieso schon am Limit läuft, eine eventuelle Speicherübertaktung muß sich hieraus schließlich auch noch speisen. Am Ende dürfte der Navi-21-Chip einfach ausgereizt sein und somit das Übertaktungsergebnis der Radeon RX 6900 XT limitieren. Auffallend ist, dass von den drei Navi-21-Lösungen damit die Radeon RX 6800 die beste Übertaktungseignung besitzt – augenscheinlich, weil diese kleinste Navi-21-Lösung am weitesten vom Limit des Navi-21-Chips entfernt ist.

In der Summe der Dinge zeigt sich die Radeon RX 6900 XT somit als nur maßvoll besser als die Radeon RX 6800 XT, wenn letztlich nicht einmal eine zweistellige Mehrperformance zu dieser erzielt wird. Dass die Radeon RX 6900 XT eine gegenüber der Radeon RX 6800 XT um 5% bessere Energeieeffizienz aufweist, ist in diesem Feld wohl eher fünftrangig, viel eher interessant ist hierbei das Preis/Leistungs-Verhältnis, welche mit -30% desaströs gegenüber der Radeon RX 6800 XT ausfällt. Um diesen hohen Preis/Leistungs-Nachteil auszugleichen, fehlt der Radeon RX 6900 XT entweder eine überzeugende Mehrperformace oder aber ein Alleinstellungsmerkmal – und bis auf den (nebensächlichen) Punkt, dass die Radeon RX 6900 XT als einzige der neuen Grafikkarten im Vollausbau ihres Grafikchips antritt, hat die Radeon RX 6900 XT selbiges einfach nicht.

Der Vergleich mit der GeForce RTX 3080 fällt genauso schlecht aus: Zwar bietet die Radeon RX 6900 XT unter Rasterizer-Tests eine minimale Mehrperformance, liegt jedoch unter RayTracing-Tests sehr deutlich zurück – und verbindet dies wiederum mit einem um -29% schlechteren Preis/Leistungs-Verhältnis. Allenfalls den Mehrspeicher der Radeon RX 6900 XT kann selbige gegenüber der GeForce RTX 3080 (16 vs. 10 GB) ins Feld führen – was allerdings bei diesem drastisch schlechteren Preis/Leistungs-Verhältnis wenig Zugkraft entwickelt. Einzig im Vergleich mit der GeForce RTX 3090 kann die Radeon RX 6900 XT ein (immerhin um +35%) besseres Preis/Leistungs-Verhältnis für sich beanspruchen, die nVidia-Karte kann jene Differenz allerdings über ihre eindeutige Performance-Führerschaft und dann sogar einen Mehrspeicher auf nVidia-Seite durchaus rechtfertigen.

Mehrleistung der Radeon RX 6900 XT FullHD WQHD 4K RT (4K) EE (4K) P/L (4K)
6900XT vs. Radeon RX 6800 XT +6% +6% +8% +8% +5% −30%
6900XT vs. Radeon RX 6800 +18% +22% +25% +27% −5% −28%
6900XT vs. GeForce RTX 3090 −4% −6% −10% −32% +6% +35%
6900XT vs. GeForce RTX 3080 +2% +3% +1% −22% +9% −29%
6900XT vs. GeForce RTX 3070 +22% +30% +35% +9% −3% −33%
6900XT vs. GeForce RTX 3060 Ti +36% +47% +56% +26% +3% −38%
6900XT vs. GeForce RTX 2080 Ti +23% +30% +34% +7% +19% +60%
6900XT vs. GeForce GTX 1080 Ti +63% +80% +92% - +50% +35%
RT = RayTracing; EE = Energieeffizienz / energy efficiency; P/L = Preis/Leistungs-Verhältnis / price-performance ratio; ausschließlich FE/Referenz-Modelle; Energieeffizienz und Preis/Leistungs-Verhältnis bezogen auf die 4K-Performance; alle Preis/Leistungs-Vergleiche zum Listenpreis

In diesem Punkt liegt dann letztlich die Crux der Radeon RX 6900 XT: Die Karte ist gar nicht einmal verkehrt, aber Portfolio-technisch seitens AMD falsch angesetzt. Auf ihrem Preispunkt von 999 Dollar/Euro ist die Radeon RX 6900 XT nominell eine Enthusiasten-Lösung, bietet allerdings keine der dafür üblicherweise notwendigen Punkte: Weder die Performance-Führerschaft, noch den größten Speicher noch irgendein beachtbares Alleinstellungsmerkmal. Im genauen handelt es sich eher um eine "Radeon RX 6800 XTX" als denn eine "Radeon RX 6900 XT" – eine etwas hochgepumpte Radeon RX 6800 XT ohne zusätzliche Eigenschaften. Wenn AMD hierfür einen anderen, passenden Preis angesetzt hätte, könnte man die Radeon RX 6900 XT viel freundlicher bewerten – aber so ist es einfach nur eine überteuerte Sonderausfertigung der Radeon RX 6800 XT.

Eine gutklassige Übertaktung jener Radeon RX 6800 XT hat zudem das Potential, schon die default-Performance der Radeon RX 6900 XT zu erreichen – und da es bei der Radeon RX 6900 XT mit Übertaktung nicht mehr wesentlich weit nach oben geht, dürfte sich selbst unter beiderseitiger Übertaktung die Performance beider AMD-Spitzenmodelle weiter annähern als im default-Zustand. Es verwundert etwas, dass AMD diese Situation nicht vorab hat erkennen können und der Radeon RX 6900 XT gleich von Anfang an einen besseren Preispunkt oder/und mehr Performance oder/und irgendein Alleinstellungsmerkmal hat mitgeben können. Eine großzügigere TDP und eventuell etwas schnellerer Speicher sollten eigentlich schon ausreichend sein, um jene 2% Mehrperformance zu generieren, auf dass es gegenüber der Radeon RX 6800 XT wenigstens eine (knapp) zweistellige Performance-Differenz geben würde.

Gen. & Speicher FHD-Index 4K-Index Verbrauch Liste Straßenpreis Verfügbarkeit
GeForce RTX 3090 Ampere, 24GB 2030% 368% 360W $1499 1700-2000€FE: 1499€ ★★★☆☆
Radeon RX 6900 XT RDNA2, 16GB 1950% 332% 305W $999 keine AngeboteRef: 999€ ☆☆☆☆☆
GeForce RTX 3080 Ampere, 10GB 1900% 328% 327W $699 1000-1200€FE: 699€ ★☆☆☆☆
Radeon RX 6800 XT RDNA2, 16GB 1840% 306% 296W $649 keine AngeboteRef: 649€ ☆☆☆☆☆
Radeon RX 6800 RDNA2, 16GB 1650% 266% 231W $579 keine AngeboteRef: 579€ ☆☆☆☆☆
GeForce RTX 3070 Ampere, 8GB 1590% 245% 220W $499 610-900€FE: 499€ ★★☆☆☆
GeForce RTX 3060 Ti Ampere, 8GB 1420% 212% 202W $399 590-650€FE: 399€ ★★☆☆☆
Radeon RX 6700 XT RDNA2, 12GB ? ? ? ? ? Q1/2021
GeForce RTX 3060 Ampere, 6/12GB ? ? ? ? ? Januar 2021

Auf Basis der vorliegenden Erkenntnisse gibt es somit eigentlich keine Gründe, zur Radeon RX 6900 XT zu greifen – jenen kann allein AMD über eine kräftige Preissenkung schaffen. Die Radeon RX 6900 XT sollte besser bei maximal 799 Dollar angeboten werden – und selbst zu dieser Preislage würde sich noch ein bemerkbarer Preis/Leistungs-Nachteil gegenüber der Radeon RX 6800 XT ergeben, noch niedrigere Preispunkte sind somit genauso überlegenswert. Bevor sich AMD nicht zu einem solchen Preisschritt entschließt, kann es (leider) keinerlei Empfehlungen zugunsten dieser Grafikkarte geben. AMD war seit den Zeiten der Radeon R9 Fury X sicherlich nie wieder so nah dran an der Performance-Krone – doch zweite Sieger müssen sich halt den Gesetzmäßigkeiten des Preis/Leistungs-Verhältnisses unterwerfen, allein der Performanceführer kann in dieser Frage eine Ausnahme beanspruchen.

Aber natürlich machen Preissenkungen für AMD derzeit keinen Sinn, wenn man sowieso nichts liefern kann bzw. die Nachlieferungen jederzeit zu gering angesichts des schon bestehenden Bestellberges sind. Dieses Jahr dürfte diesbezüglich kaum noch etwas passieren, man kann nur auf eine scheibchenweise Verbesserung im neuen Jahr hoffen. Bei nVidia ist nun – drei Monate nach dem initialen Ampere-Launch – endlich eine gewisse Verbesserung der Lieferbarkeit zu sehen, leider immer noch verbunden mit (zumeist) maßlos überzogenen Preispunkten. Die sich mit der Radeon RX 6900 XT ergebende Frage, ob die Karte tatsächlich auf 999 Dollar/Euro verkaufbar ist, sobald alle umliegenden AMD- und nVidia-Modelle gut und zum Listenpreis lieferbar sind, wird sich somit vermutlich erst im Frühjahr 2021 beantworten lassen.

Performance-Faktor der Radeon RX 6900 XT gegenüber früheren Grafikkarten unter UltraHD/4K
AMD Midrange AMD HighEnd AMD Enthusiast NV Enthusiast NV HighEnd NV Midrange
2,0   5700 XT 1,9   Radeon VII 2019 1,6   RTX 2080S 2,2   RTX 2060S
2018 1,3   RTX 2080 Ti 1,7   RTX 2080 2,7   RTX 2060
2,8   RX Vega 56 2,5   RX Vega 64 2017
2016 1,9   GTX 1080 Ti 2,3   GTX 1080 3,1   GTX 1070
4,4   R9 390 3,6   R9 Fury 3,3   R9 Fury X 2015 3,3   GTX 980 Ti
2014 4,3   GTX 980 5,3   GTX 970
4,9   R9 290 4,5   R9 290X 2013 4,9   GTX 780 Ti 6,0   GTX 780
6,0   HD 7970 "GHz" 2012
6,6   HD 7970 2011
Performance-Multiplikator der Radeon RX 6900 XT gegenüber älteren Grafikkarten gemäß dem 3DCenter UltraHD/4K Performance-Index