Als AMD im September 2014 die Radeon R9 285 auf Basis des Tonga-Chips vorstellte, erwartete man ziemlich alsbald eine weitere Grafikkarte im Vollausbau eben jenes Tonga-Chips. Nunmehr hat es über ein Jahr und den Sprung zu einer neuen Verkaufs-Generation bei AMD gedauert, bis selbiges mit der Radeon R9 380X passiert. Doch während die Radeon R9 285 seinerzeit noch darum kämpfen musste, eine sinnvollen Position im Angebotsportfolio zu ereichen, kommt die Radeon R9 380X derzeit in einer (nominell gesehen) idealen Situation daher: Es gibt genügend Platz sowohl bei Preis wie auch Performance zwischen Radeon R9 380 und 390, alle früheren AMD-Lösungen dieses Preis- und Performancesegements stehen inzwischen in den allerletzten Tagen ihres Lebenszyklus. Dies sollte der Radeon R9 380X normalerweise zu einem überzeugenden Auftritt beim Preispunkt von gut 250 Euro gereichen – ob dies gelingt, wollen wir nachfolgend mit der Verdichtung der zum Launch erzeugten Daten, Stimmen und Performancewerte herausfinden.
Die Radeon R9 380X basiert wie gesagt auf dem Tonga-Chip in allerdings nur einem nahezu Vollausbau. Weiterhin vermisst wird die Nutzung des vollen 384 Bit DDR Speicherinterfaces, welches auf Die-Shots des Tonga-Grafikchips ziemlich eindeutig zu erkennen ist. Woran es hierbei hängt, ist noch unklar – denkbar wären regelrechte Fehler im Chipdesign, welche jenes Zurückschalten erzwingen, oder auch eine bewußte Entscheidung zugunsten der Speichermenge von 4 GB (gegen 3 oder 6 GB, welche mit einem 384 Bit DDR Speicherinterface erreichbar wären). In letzteren Fall könnte auch mit Hineinspielen, daß für ein nur 256bittiges Speicherinterface auch der Punkt spricht, daß somit die Herstellerdesigns zu Radeon R9 285 & 380 weiterverwendet werden können – was die Grafikkarten-Hersteller natürlich aus Kostensicht begrüßen werden. Trotzdem könnte – nach Abzug der Anfangskosten für ein Redesign – ein 384-Bit-Design doch günstiger kommen, würde man bei selbigem schließlich mit einem glatten Gigabyte an GDDR5-Speicher weniger auskommen, vom gewissen Performancegewinn durch das breitere Speicherinterface (unter höheren Auflösungen) gar nicht zu reden.
Denkbar aber auch, daß dies dann den Stromverbrauch der Karte zu stark belasten würde, AMD war nach eigenen Angaben noch nie so wirklich mit Stromverbrauch des Tahiti-Speicherinterfaces zufrieden. Gut möglich genauso, daß man unbedingt und zwingend die 4 GB Grafikkartenspeicher haben wollte, nicht aber 3 GB (marketingtechnisch zu wenig) und auch nicht gleich 6 GB (macht die Karte vielleicht zu teuer). Am Ende wissen wir es derzeit einfach nicht, weshalb AMD sich zu dieser Abspeckung entschieden hat, welche ja nicht nur bei dieser Tonga-Ausführung derart realisiert wurde, sondern sich durch das komplette Tonga-basierte Produktangebot (inklusive der Apple-spezifischen Lösungen) zieht. Eventuell wird AMD eines Tages, wenn der Tonga-Chip öffentlich längst in Vergessenheit geraten ist, die Nichtinformationspolitik hierzu aufgeben und den entscheidenden Hinweis zur Auflösung dieses Rätsels liefern.
Betrachtet man den Tonga-Chip abseits der offenen Frage zum Speicherinterface, so handelt es sich schließlich am Ende um einen glatten Wiedergänger des altehrwürdigen Tahiti-Chips – mittels welchem AMD im Dezember 2011 die allersten Grafikkarten der 28nm-Generation lieferte. Gebaut zu einer vergleichbar großen Chipfläche (mit allerdings einem 16%igen Sprung bei der Anzahl der Transistoren), bieten Tahiti und Tonga dieselben Hardware-Einheiten – fast, denn Tonga verfügt über die doppelte Anzahl an Raster-Engines und beseitigt damit einen der bekannten nominelle Schwachpunkte des Tahiti-Designs. Eine andere Änderung betrifft das Architektur-Level der GCN-Architektur: Tahiti kommt mit Level GCN 1.0 daher, Tonga dann auf dem aktuellen Level GCN 1.2. Grob gesehen kann man also davon sprechen, daß Tonga eine Tahiti-Neuauflage darstellt, gewürzt mit verdoppelten Raster-Engines sowie dem Sprung auf GCN 1.2 – sprich, einer Modernisierung von Tahiti.
Ob AMD jenen Anspruch bei der Tonga-Entwicklung hatte, stellt allerdings nur schwer zweifelsfrei belegbare AMD-Interna dar und kann daher nur spekuliert werden. Möglich sind hier auch andere Auslegungsvarianten – nach denen der Tonga-Chip eventuell auch dazu geplant gewesen sein könnte, mittels der vorgenommenen Optimierungen ein klar höheres Performanceniveau anzustreben. In der Praxis wissen wir, daß der Tonga-Chip allerdings auch nur im selben Performance-Feld wie der frühere Tahiti-Chip operiert, die von AMD vorgenommenen Optimierungen letztlich nicht zu einem echten Performancesprung geführt haben. Auch in dieser Frage hat es für den Tonga-Chip letztlich nur zu einer direkten Tahiti-Ablösung gereicht, nicht aber zu einer Verbesserung.
Bei der nun vorgestellten Radeon R9 380X ist dies nicht anders: Die Zurückhaltung beim Speicherinterface und den gebotenen Taktraten (nominell nur ≤970/2850 MHz, OC-Versionen auch nur bestenfalls ≤1040/3000 MHz) lassen keinen großen Performancesprung oberhalb des Niveaus der besten Tahiti-Lösungen erwarten (Radeon R9 280X bei Perf.Index 390%, Radeon HD 7970 "GHz Edition" bei Perf.Index 400%) – am Ende gibt es hier gerade einmal den Sprung von den 1792 Shader-Einheiten der Radeon R9 380 auf nun eben die vollen 2048 Shader-Einheiten des Tonga-Chips. Andererseits macht AMD für die Radeon R9 380X auch ein ziemlich gutes (nominelles) Preisangebot bei einem US-Listenpreis von nur 229 Dollar, dies sind gerade einmal 30 Dollar mehr als bei der (per default nur mit 2 GB Grafikkartenspeicher ausgerüsteten) Radeon R9 380. In Euroland sind die Straßenpreise leider anfänglich durch den derzeit miesen Dollar/Euro-Kurs etwas aus dem Ruder geraten – hierzulande ergibt sich derzeit ein Preisunterschied von gleich 70 Euro, auf gleicher Speichermenge immer noch bei 50 Euro.
GeForce GTX 960 | Radeon R9 280X | Radeon R9 285 | Radeon R9 380 | Radeon R9 380X | |
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Chipbasis | nVidia GM206, 2,94 Mrd. Transistoren in 28nm auf 227mm² Chipfläche | AMD Tahiti, 4,31 Mrd. Transistoren in 28nm auf 365mm² Chipfläche | AMD Tonga, 5,0 Mrd. Transistoren in 28nm auf 359mm² Chipfläche | ||
Architektur | Maxwell 2, DirectX 12.1 | GCN 1.0, DirectX 11.2a (DX12 in Software) | GCN-Architektur 1.2, DirectX 12.0 | ||
Features | PhysX, SLI, DSR, G-Sync | Mantle, CrossFire, VSR | Mantle, CrossFire, VSR, FreeSync, TrueAudio | ||
Technik | 2 Raster-Engines (mit verdoppelter Raster-Power), 1024 Shader-Einheiten, 64 TMUs, 32 ROPs, 128 Bit DDR GDDR5-Interface | 2 Raster-Engines, 2048 Shader-Einheiten, 128 TMUs, 32 ROPs, 384 Bit DDR GDDR5-Interface | 4 Raster-Engines, 1792 Shader-Einheiten, 112 TMUs, 32 ROPs, 256 Bit DDR GDDR5-Interface | 4 Raster-Engines, 1792 Shader-Einheiten, 112 TMUs, 32 ROPs, 256 Bit DDR GDDR5-Interface | 4 Raster-Engines, 2048 Shader-Einheiten, 128 TMUs, 32 ROPs, 256 Bit DDR GDDR5-Interface |
Taktraten | 1127/1178/3500 MHz (Ø-Chiptakt: 1316 MHz) |
≤1000/3000 MHz | ≤918/2750 MHz | ≤970/2850 MHz | ≤970/2850 MHz |
Speicherausbau | 2 GB GDDR5 (4 GB gegen Aufpreis) |
3 GB GDDR5 | 2 GB GDDR5 | 2 GB GDDR5 (4 GB gegen Aufpreis) |
4 GB GDDR5 |
Ref./Herst./OC | ✓ / ✓ / ✓ | ✗ / ✓ / ✓ | ✗ / ✓ / ✓ | ✗ / ✓ / ✓ | ✗ / ✓ / ✓ |
OC-Modelle | von 1152/1216/3500 MHz bis 1279/1342/3600 MHz | von ≤1020/3000 MHz bis ≤1150/3200 MHz | von ≤945/2750 MHz bis ≤973/2800 MHz | von ≤980/2850 MHz bis ≤1010/2950 MHz | von ≤980/2850 MHz bis ≤1040/3000 MHz |
Layout | DualSlot | DualSlot | DualSlot | DualSlot | DualSlot |
Kartenlänge | 21,5-27cm (Herstellerdesigns) |
26-30cm (Herstellerdesigns) |
22-27cm (Herstellerdesigns) |
24-27cm (Herstellerdesigns) |
24-27cm (Herstellerdesigns) |
Stromstecker | 1x 6pol. oder 1x 8pol. (je nach Karte) |
1x 6pol. + 1x 8pol. | 2x 6pol. | 2x 6pol. | 2x 6pol. |
TDP | 120W | 250W | 190W | 190W | 190W |
Idle-Verbrauch | 10W | 15W | 14W | ~13W | ~14W |
Spiele-Verbrauch | 98W | 213W | 183W | ~180W | ~190W |
Ausgänge | DualLink DVI-I, HDMI 2.0 (mit HDCP 2.2), 3x DisplayPort 1.2 | 2x DualLink DVD-D, HDMI 1.4a (kein HDCP 2.2), DisplayPort 1.2 | 2x DualLink DVD-D, HDMI 1.4a (kein HDCP 2.2), DisplayPort 1.2 | 2x DualLink DVD-D, HDMI 1.4a (kein HDCP 2.2), DisplayPort 1.2 | 2x DualLink DVD-D, HDMI 1.4a (kein HDCP 2.2), DisplayPort 1.2 |
3DC FullHD Perf.Index | 340% | 390% | 340% | 360% | 390% |
Listenpreis | 199$ | 299$ | 249$ | 199$ | 229$ |
Straßenpreis | 2GB: 190-210€ 4GB: 200-220€ |
3GB: 230-250€ (Auslauf) |
2GB: 170-200€ (Auslauf) |
2GB: 180-210€ 4GB: 200-230€ |
4GB: 250-280€ (noch nicht lieferbar) |
Release | 22. Januar 2015 | 8. Oktober 2013 | 2. September 2014 | 18. Juni 2015 | 19. November 2015 |
Wie zuletzt schon bei nahezu allen Midrange-Angeboten üblich, kommt auch die Radeon R9 380X nicht als Referenzdesign in den Markt, sondern ausschließlich als Herstellerdesign mit voneinander abweichenden Platinen-Layouts, Lüfterkonstruktionen und auch Taktraten. Auffallend ist dabei das komplette Ausbleiben von Angeboten mit AMDs Referenz-Taktung. Ob dies dem frühen Stand geschuldet ist (bisher hatten die Grafikkarten-Hersteller ihre "Normal-Modell" oftmals später dann doch noch nachgereicht) oder einen neuen Trend aufzeigt, nachdem es nur noch ab-Werk-Übertaktungen gibt, bleibt abzuwarten. Allerdings ist die Klasse der ab-Werk-Übertaktungen bei der Radeon R9 380X auch nicht wirklich überzeugend: Meistens gibt es nur "Spaß-Übertaktungen" zwischen 980 und 1000 MHz Chiptakt, nur wenige Modelle bieten überhaupt 1030 bis 1040 MHz Chiptakt – und selbst dies ist schließlich kein großer Sprung (+6,2% bzw. 7,2%). Dagegen muß man zur Ehrenrettung des Neuankömmlings anmerken, daß die besten ab-Werk-Übertaktungen üblicherweise nie sofort am Launchtag zur Verfügung stehen, sondern immer etwas später daherkommen. Die jetzt schon zu erkennende Tendenz zeigt bei der Radeon R9 380X dennoch eher in Richtung arg mittelprächtiger ab-Werk-Übertakungen.