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Forenhaftung: Im Jahr 2012 immer noch katastrophale Rechtslage in Deutschland

Internet-Law berichten über ein haarsträubendes Urteil des OLG München in Sachen Forenhaftung. Laut diesem Gericht kann man einen Hoster auf Unterlassung von "ehrverletzenden Äußerungen" in einem von ihm gehosteten Forum verklagen – relavant hierfür ist nur die Kenntnis des Hosters von diesem Vorfall. Dabei geht es hierbei (ergibt sich aus den Kommentaren zur Meldung) explizit nicht um den eigentlichen Forenbetreiber, sondern tatsächlich um dessen Serverhoster – einem an der eigentlichen Sache also Unbeteiligtem. Mittels dieses Urteils wird der Hoster nun aber plötzlich in allen strittigen Fragen Mitbeteiligter und wird sich demzufolge in Zukunft überlegen, ob es noch Sinn macht (wie in diesem Fall) vor Gericht zu gehen und den Streitfall dort auszufechten – oder nicht einfacherweise den bewußten Forumsserver abzuklemmen.

Denn hier liegt die Crux dieses Urteils: Deklariert man technische Dienstleister zu "Mittätern", zeigen diese logischerweise die Tendenz, es nicht auf einen Rechtsstreit ankommen zu lassen, sondern schaffen einfach "Recht" durch Serverabschaltung und Vertragsauflösung. Damit wird am Ende nur außergerichtlich neues Unrecht geschaffen, denn natürlich ist die Abschaltung eines ganzen Forums übertrieben – und vor allem steht dem angeblich Geschmähten ja immer noch der Klageweg gegen den eigentlichen Forenbetreiber offen. Irritierend ist insbesondere, wieso das Gericht jenen Fall nicht exakt an diese Instanz verwiesen hat – anstatt sich die beiden streitenden Parteien direkt vor Gericht treffen, wurde hier ein unbeteiligter Dritter hinzugezogen, welcher in Zukunft auf Basis dieses Urteils natürlich in erster Linie auf seinen Selbstschutz setzen wird.

Problematischerweise geht dieser Selbstschutz der Serverhoster dann einseitig zu Lasten einer der beiden Streitparteien, womit wie gesagt kein Recht geschaffen wird, sondern vielmehr eine Möglichkeit zu automatisiertem und kaum gerichtlich kontrollierbarem Unrecht entsteht. Es bleibt nur zu hoffen, daß sich dieses Urteil nicht breit durchsetzt oder am besten sogar von einer übergeordneten Instanz wieder zurückgenommen wird. Denn bei dieser Ausgangslage besteht für alle Betreiber von Internetforen sowie Webseiten und Blogs mit Kommentarfunktion die ständige Gefahr einer Serverabschaltung und Vertragskündigung, nur weil sich jemand in der Ehre verletzt führt, zum Hoster rennt, dieser natürlich keinen Ärger haben will und damit den Weg des geringsten Widerstands (Serverabschaltung und Kündigung) wählt.

Daß die (angeblich) ehrverletzenden Äußerung im konkreten Fall zudem lediglich auf "dreister Dummschwätzer" gelautet haben soll, gibt der Sache zusätzlich Würze – dies stellt so ziemlich die niedrigstmögliche Definition einer ehrverletzenden Äußerung dar. Kritiker können hier anmerken, daß in der passenden Situation dies durchaus so etwas wie eine Tatsachenbeschreibung sein kann – wohingegen sich der Tatbestand einer ehrverletzenden Äußerung ja gerade daran bemisst, sogar außerhalb der konkreten Situation immer noch als "ehrverletzend" wahrgenommen zu werden (was hier eben nicht zutrifft). Die hier gerichtlich festgestellte Niedrigschwelligkeit einer ehrverletzenden Äußerung bringt alle Betreiber von Foren sowie Webseiten und Blogs mit Kommentarfunktion nun jedoch in die Gefahr ständiger Rechtsstreitigkeiten, weil ein gewisser herber Umgangston in Internetforen doch einfach vorhanden ist.

Wenn nicht die Vergangenheit gezeigt hätte, daß vieles in diesen Dingen lange nicht so heiß gegessen wird wie es gekocht wird, könnte man (wieder einmal) allen Forenbetreibern zurufen: So schnell wie möglich raus aus Deutschland! So bleibt zu hoffen, daß sich dieses Urteil nicht durchsetzt und daß es sich hier um einen bedauernswerten Einzelfall handelt. Dagegen spricht jedoch, daß sich der Bundesgerichtshof in einem Urteil des letzten Jahres ähnlich geäußert hat. Daß damit der gesetzliche Wille (grob) mißachtet wird, welcher technische Dienstleister von aller "Störerhaftung" ausnehmen soll, steht auf einem anderen Blatt. Wahrscheinlich muß hier am Ende die Politik eingreifen und diesen Punkt gesetzlich nochmals klarer machen.