Die Spezifikationen zur Radeon HD 6990

Mittwoch, 2. März 2011
 / von Leonidas
 

Über AMDs DualChip-Projekt Radeon HD 6990 gab es in den letzten Tagen und mit dem Start der CeBIT eine zunehmende Informationslage, nun liegt seitens der türkischen Webseite Donanim Haber die komplette AMD-Präsentation zu dieser Karte vor und zeigt alle deren Daten auf. Dabei überrascht AMD mit einer deutlich kräftiger als bisher angenommen ausgefallenen Karte: Es werden zwei unbeschnittene RV970/Cayman-Chips mit ergo insgesamt 3072 Shader- und 192 Textureneinheiten an zwei 256 Bit DDR breiten Speicherinterfaces samt zweimal 2048 MB GDDR5-Speicher verbaut. Die Taktraten der Radeon HD 6990 liegen zudem mit 830/2500 MHz in absoluter Reichwerte der 880/2750 MHz der SingleChip-Lösung Radeon HD 6970. Damit wird die Radeon HD 6990 ein gehöriges Performanceplus gegenüber der Radeon HD 6970 einfahren und dürfte weit über (unseren) Vorab-Prognosen liegen.

Vorab ein Wort zur Glaubwürdigkeit der zugrundeliegenden AMD-Präsentation, nachdem es in letzter Zeit einige gefälschte Präsentationsfolien gab: Erstens stimmen die Daten dieser Präsentation mit den groben von der CeBIT zu hörenden Informationen überein – und zweitens hat bisher noch niemand eine komplette Präsentation gefälscht, sondern gab es nur einzelne gefälschte Folien. Auch denkt sich wohl niemand die besonderen Eigenschaften der Radeon HD 6990 (dazu nachfolgend mehr) für eine Fälschung aus – dies hoffen wir zumindest. Ein Restrisiko bleibt natürlich, aber dennoch geht das Pendel derzeit klar in Richtung "echt".

Radeon HD 6950 Radeon HD 6970 Radeon HD 6990
Chipbasis AMD RV970/Cayman, 2640 Millionen Transistoren in 40mn auf 389mm² Chip-Fläche
Technik DirectX 11, 2 Raster Engines, 1408 4-D VLIW Shader-Einheiten, 88 TMUs, 32 ROPs, 256 Bit DDR Interface (bis GDDR5) DirectX 11, 2 Raster Engines, 1536 4-D VLIW Shader-Einheiten, 96 TMUs, 32 ROPs, 256 Bit DDR Interface (bis GDDR5) DirectX 11, DualChip, 4 Raster Engines, 3072 4-D VLIW Shader-Einheiten, 192 TMUs, 64 ROPs, 2x 256 Bit DDR Interface (bis GDDR5)
Taktraten 800/2500 MHz 880/2750 MHz 830/2500 MHz
Speicherausbau 1024 oder 2048 MB GDDR5 2048 MB GDDR5 2x 2048 MB GDDR5
Layout DualSlot DualSlot DualSlot
Kartenlänge 275mm 275mm ?
Stromanschlüsse 2x 6pol. 1x 6pol. + 1x 8pol. 2x 8pol.
TDP <225W <300W <375W
Preislage ~ 200 Euro ~ 300 Euro geschätzt 550 Euro

Die Radeon HD 6990 hat somit nur 6 Prozent weniger Chip- und 10 Prozent weniger Speichertakt als die Radeon HD 6970 aufzubieten – und in jedem Fall (SingleChip-seitig betrachtet) mehr Rohpower als die Radeon HD 6950, welche sowohl weniger Taktrate als auch weniger Hardware-Einheiten aufbietet. Die Radeon HD 6990 dürfte sich somit nur knapp hinter ein CrossFire-Gespann aus zwei Radeon HD 6970 Karten positionieren, der Performance-Unterschied sollte zwischen 5 und 10 Prozent liegen. Ein CrossFire-Gespann aus zwei Radeon HD 6950 Karten sollte die Radeon HD 6990 dagegen schlagen können – auch wenn der Abstand nur ein paar Prozentpunkt groß sein dürfte, weil die Radeon HD 6900 Serie doch recht stark an der Speicherbandbreite hängt und die Radeon HD 6990 in der Frage der Speicherbandbreite nur exakt dasselbe bietet wie ein CrossFire-Gespann aus zwei Radeon HD 6950 Karten.

Rohleistungs-Vergleich Radeon HD 6950, 6970, 6990, 6950 CF & 6970 CF

Die genauen Performance-Abstände werden sich dann im Laufe der Launchtests zum 8. März ergeben, dürften aber aufgrund der ziemlich klaren Hardware-Daten und mangels Störfaktoren wie unterschiedlicher Speicherbestückungen ungefähr die vorstehende Einschätzung bestätigen. AMD hat die Radeon HD 6990 gemäß eigenen Benchmarks im übrigen auf ein Performanceplus von 67 Prozent gegenüber der GeForce GTX 580 eingeschätzt – allerdings im leicht übertakteten Zustand, wo also noch ein paar Prozentpunkte abzuziehen sind.

Im unübertakteten Normalzustand würden die AMD-eigenen Benchmarks ein Performanceplus der Radeon HD 6990 zur GeForce GTX 580 von 60 Prozent ergeben – gemessen unter 2560x1600, was der Radeon HD 6900 Serie bekannterweise entgegenkommt. Unter der weit üblicheren Auflösung von 1920x1200 können die Unterschiede also geringer sein, geschätzt dürften es dort 55 Prozent Performanceplus gegenüber der GeForce GTX 580 sein. Dies ist immer noch eine hohe Hausmarke, denn umgerechnet würde dies ein Performanceplus der Radeon HD 6990 gegenüber der Radeon HD 6970 von 80 Prozent ergeben – angesichts des etwas niedrigeren Taktes der Radeon HD 6990 ist dies nur bei nahezu optimaler CrossFire-Effizienz zu erreichen.

Allerdings liegt hier einer der Schwachpunkte von Hersteller-eigenen Benchmarks gerade bei Features mit schwankendem Erfolg wie CrossFire (und SLI): Hierbei können die Hersteller durch die Auswahl der "richtigen" Benchmarks sehr gut den (rein intern ermittelten) Gesamt-Durchschnitt über alle Tests verfälschen, was unter normalen Bedingungen nur in sehr geringem Maße möglich ist. Sprich, wenn AMD allein die Ergebnisse diese Benchmarks mit der höchstmöglichen CrossFire-Effizienz veröffentlich, dann sind diese hohen Resultate zwar erklärbar, werden aber in der Realität eines durchmischten Benchmarkfeldes nicht erreicht werden können.

Man sollte sich an dieser Stelle also nicht auf die von AMD prognostizierten 55 Prozent Performanceplus gegenüber der GeForce GTX 580 sowie (umgerechnet) 80 Prozent Performanceplus gegenüber der Radeon HD 6970 versteifen, in der Realität unabhängiger Benchmarks können durchaus ein paar Prozentpunkte weniger herauskommen. Gleiches gilt auch für die von AMD sehr optimistisch angegeben Quad-CrossFire-Effizienz der Radeon HD 6990: 90 Prozent Performancegewinn durch eine zweite Radeon HD 6990 Karte gibt es üblicherweise nur in ausgewählten, passenden Benchmarks – in anderen wird es weit niedrigere Ergebnisse geben, oftmals wird dann auch schnell die CPU limitieren (was natürlich nicht die Schuld von CrossFire ist).

Radeon HD 6990 Dual-BIOS Switch

Vorstehend schon genannt wurden übertaktete Benchmarks der Radeon HD 6990, welche AMD mittels einer fest in dieser Karte eingebaute Übertaktung erstellt hat, welche auch ihren eigenen Namen trägt: "Radeon HD 6990 OC". Realisiert wird dies über den von schon den Radeon HD 6950 & 6970 Karten bekannten BIOS-Switch – welcher bei der Radeon HD 6990 allerdings die Eigenschaft hat, in der Position 1 die Karte (leicht) zu übertakten.

Dual-BIOS Switch Position 2:
Radeon HD 6990
Dual-BIOS Switch Position 1:
"Radeon HD 6990 OC"
Takt 830/2500 MHz 880/2500 MHz
Chip-Spannung 1,12V 1,175V
Typical Gaming Power 350W 415W
PowerTune Maximal Power 375W 450W
Garantie ja nein

Die Übertaktung ist dabei mit 880 MHz Chiptakt und unverändertem Speichertakt allerdings nicht großartig, AMD hat selber nur runde 4,5 Prozent Performancegewinn (in ausgewählten Benchmarks) hierfür ausgemessen. Interessant ist dieser Modus sicherlich nicht aus dem Grund der AMD-eigenen Übertaktung, sondern nur für eigene Übertaktungs-Experimente – und zwar deswegen, weil in diesem Modus das maximale PowerTune-Limit von 375 Watt auf 450 Watt hochgesetzt ist. Setzt man die Radeon HD 6990 im Normalmodus (Dual-BIOS Switch Position 2) einer Übertaktung aus, dürfte dagegen sehr schnell das übliche PowerTune-Limit alle Übertaktungserfolge zunichte machen – sprich, die Übertaktung selber funktioniert zwar, aber der Performancegewinn dadurch ist nur arg unterdurchschnittlich bis irgendwann gar nicht mehr vorhanden.

Die Radeon HD 6990 agiert im Normalzustand halt bewußt sehr nahe am PowerTune-Limit, womit im Gegensatz zu Radeon HD 6950 & 6970 kein Spielraum für (in Performance umwandelbare) Übertaktungen bleibt. Erst mit der Dual-BIOS Switch Position 1 wird diese Limitierung aufgehoben und können Übertaktungserfolge auch in Performance-Zugewinne umgewandelt werden. Wenn AMD diese Switch-Position dann den "Uber-Mode" nennt, dürfte sich dies zuerst auf das erhöhte PowerTune-Limit beziehen und weniger auf die eher vernachlässigbare AMD-eigene Chipübertaktung.

Mittels vorstehenden Ausführungen zu den verschiedenen PowerTune-Limits ist allerdings auch klar, daß die Radeon HD 6990 nicht bei ihrer TDP von "<375W" anhalten kann, sondern daß AMD eine Karte vorlegen musste, welche bis zu 450 Watt Stromaufnahme erzielen und verarbeiten können muß. Die verbauten "nur" zwei 8poligen Stromstecker, welche spezifikationsgemäß jeweils 150 Watt zur Verfügung stellen (zuzüglich der 75 Watt aus dem PCI-Express-Slot), sind mit ihrer spezfikationsgerechten Stromaufnahme von maximal "nur" 375 Watt jedoch nur ein scheinbarer Widerspruch: Laut Gehäuse- und Netzteil-Hersteller Antec können schon 6polige Stromstecker rein technisch 200 Watt zur Verfügung stellen – sie sind halt nur nicht für mehr spezifiziert. Und da AMD mit der Radeon HD 6990 sowieso die Spezifikationen der PCI-SIG bricht, welche eigentlich PCI-Express-Steckkarten nur bis maximal 300 Watt TDP vorsehen, stört dieser Schönheitsfehler auch nicht mehr – wichtig ist ja, daß es funktioniert und dies kann durchaus garantiert werden, wie gesagt sind die vorhandenen Reserven ziemlich hoch.

Das eigentliche Problem für AMD bei der Erstellung der Radeon HD 6990 war damit eher, ein Grafikboard zu bauen, was bis zu 450 Watt aufnehmen und verarbeiten kann – durchaus eine ingenieurstechnische Höchstleistung, auf welcher AMD in seiner Präsentation natürlich (und berechtigt) auch etwas herumreitet. Der zugrundeliegende Devise – wenn wir schon die 300-Watt-Regel brechen, dann aber gleich richtig – kann man durchaus zustimmen, denn ein knapp auf Kante gebautes Produkt würde im Zielmarkt der absoluten Enthusiasten auch niemanden begeistern, zudem liefert AMD hiermit nebenbei wichtige Grundlagenarbeit für die Grafikboards der Zukunft ab. Sicherlich wird diese 450-Watt-Marke hier und da für Spott und ungläubiges Kopfschütteln sorgen – man beachte dabei aber den Zielmarkt der Karte, wo es erstens um nur eine Handvoll absoluter Enthusiasten-Käufer geht und zweitens auch sehr deutlich um das Prestige des Grafikchip-Entwicklers.

Problematisch dürfte aber weiterhin die Lautstärke der verbauten Kühllösung sein – denn selbst wenn es technisch möglich ist, 450 Watt auf einer DualSlot-Karte zu kühlen, wurde hierfür bislang noch keine leise Lösung gefunden. Zwar gibt es zur Lautstärke der Radeon HD 6990 noch keine belegbaren Erfahrungen, die reine Praxis lehrt jedoch, daß alle Karten ab einer Verlustleistung von um die 200 Watt nicht mehr wirklich leise zu kühlen sind – jeder kann sich ausmalen, was passiert, wenn die Verlustleistung (auf demselben Platz) dann 400 Watt beträgt. Aber auch dies ist wohl wieder ein Punkt, den der absolute Enthusiast doch irgendwie verschmerzen kann (alternativ lagert man den PC halt aufs "stille Örtchen" aus) – in den Normalmarkt übertragbar ist das Konzept einer 450-Watt-Grafikkarte jedoch derzeit nicht.

Größere weitere Überraschungen sind von der Radeon HD 6990 dann nicht mehr zu erwarten: Weder scheint es neue Bildqualitätsfeatures zu geben (auch schwer möglich auf Basis desselben Grafikchips) noch scheint AMD eine besondere Technologie zur Verhinderung von Mikrorucklern in der Hinterhand zu haben – ein Punkt, auf welchen Anhänger von MultiChip-Technologien eigentlich schon länger warten. Die große spannende Frage bleibt somit nur, wie sich die Radeon HD 6990 gegenüber der GeForce GTX 590 schlagen wird – was noch nicht einmal am Launchtag der Radeon HD 6990 am 8. März zu beantworten sein wird, sondern erst am Launchtag der GeForce GTX 590 am (voraussichtlich) 11. März.

Prinzipiell sieht es gut aus für AMD, weil die Stromzufuhr im Normalmodus von bis zu 375 Watt nicht gegenüber nVidias (vorraussichtlichem) Konkurrenzentwurf zurückhängt und weil AMD seine PowerTune-Technologie anscheinend aggressiv dazu einsetzt, den Realverbrauch möglichst nahe an den Maximalverbrauch zu hieven (womit mehr Performance erzeugt wird, ohne den Maximalverbrauch anheben zu müssen). Grob gesehen ist die Radeon HD 6990 von der Performance her auf etwas unterhalb eines CrossFire-Gespanns aus zwei Radeon HD 6970 Karten schätzen, was grob in die Richtung der Performance eines SLI-Gespanns aus zwei GeForce GTX 570 Karten geht. nVidia wird mit der GeForce GTX 590 ergo mehr bieten müssen als das – ob dies möglich ist bei deutlich abgesenkten Taktraten, wird man sehen müssen.