Die Nano/Fury-Preise müssen runter

Donnerstag, 26. November 2015
 / von Leonidas
 

Der Launch der verschiedenen Nano- und Fury-Karten auf Basis von AMDs Fiji-Chips wurde nicht nur von leichter Enttäuschung über die erreichte Performance (entgegen den Erwartungen an den Fiji-Chip ist dieser nicht schneller als nVidias Angebote), sondern vor allem auch von Verwunderung über die von AMD dafür gemachten Preispunkte begleitet: Über 700 Euro für eine Radeon R9 Fury X, welche die etwas günstigere GeForce GTX 980 Ti bestenfalls knapp erreicht, nahezu 600 Euro für eine Radeon R9 Fury, welche nur wenig besser als eine um 100 Euro günstiger GeForce GTX 980 ist und um die 650 Euro für eine Radeon R9 Nano, welche sogar noch etwas langsamer als die Radeon R9 Fury ausfällt, waren schon vom Start weg irritierend hoch – und sind es nun noch um so mehr.

Aktuelle Preissituation
Liste Straße Perf. AMD nVidia Perf. Straße Liste
GeForce GTX Titan X 760%/100% 1050-1100€ 999$
649$ 650-690€ 670%/95% Radeon R9 Fury X GeForce GTX 980 Ti 730%/95% 650-680€ 649$
649$ 600-670€ 600%/80% Radeon R9 Nano
549$ 530-580€ 620%/85% Radeon R9 Fury
GeForce GTX 980 600%/70% 490-520€ 499$
429$ 400-430€ 570%/75% Radeon R9 390X

Offiziell begründete AMD die hohe Preisstruktur der Nano/Fury-Karten mit dem neuen HighEnd-Ansatz des Fiji-Chips, welcher auch in der Tat so groß wie der GM200-Chip von nVidia ist und zudem den neuen, teuren HBM-Speicher verwendet. Hinzu kam inoffiziell der Punkt der schlechten Lieferbarkeit zum Launch, zu welcher sich niedrigere Preise natürlich nicht gelohnt hätten (weil wegen der schlechten Liefersituation man nicht durch höhere Verkaufszahlen hätte profitieren können). Nun aber soll AMD die Lieferbarkeit von Fiji-Chips (welche zusammen mit ihrem HBM-Speicher an die Grafikkarten-Hersteller verkauft werden) deutlich verbessert haben, bei den Distributoren und Einzelhändlern sollen sich nunmehr eher die darauf basierenden Grafikkarten stappeln, als daß es noch ein wirkliches Lieferproblem geben soll.

Verkauft wird nunmehr von den Nano/Fury-Karten jedoch nur maßvoll mehr – der zum Launch aufgegebene Bestellberg ist augenscheinlich abgearbeitet und es läuft also das "normale" Geschäft. Und in jenem werden nach wie vor nur eher geringe Stückzahlen der Fiji-basierten Grafikkarten abgesetzt, wie die (sicherlich unzuverlässige, aber für diesen Zweck ausreichende) Verkaufsstatistik der Mindfactory beweist: Von allen Fiji-basierten Grafikkarten zusammen wurden in den letzten zwei Monaten bei diesem Onlinehändler gerade einmal 355 Stück abgesetzt – von der im gleichen Preisfeld befindlichen GeForce GTX 980 Ti hingegen gleich 2330 Stück, sprich fast das Siebenfache. Die Verkäufe der Fiji-basierten Grafikkarten erinnern in der Höhe somit sinngemäß eher an die Verkäufe der GeForce GTX Titan X von nur 40 Stück – bezogen alles nur auf die letzten zwei Monate wohlgemerkt.

Stand 18. September Stand 25. November Differenz
GeForce GTX Titan X 500 540 +40
GeForce GTX 980 Ti 3680 6010 +2330
Radeon R9 Fury X 230 380 +150
Radeon R9 Fury 65 210 +145
Radeon R9 Nano - 60 +60
GeForce GTX 980 7070 7600  (?) +600
Radeon R9 390X 420 850 +430
Zahlenmaterial aus der öffentlich einsehbaren Statistik von Mindfactory. Jene Statistik ist allerdings fehleranfällig, da zwischenzeitlich nicht mehr gelistete Karten später nicht mehr mitgezählt werden können. Insbesondere der akuelle Wert der GeForce GTX 980 ist in Frage zu stellen, jener scheint (ziemlich deutlich) zu niedrig zu liegen.

Hiermit ist dann vielleicht auch der Kern des Problems getroffen, denn bei der vorgenannten GeForce GTX Titan X handelt es sich um eine reine Liebhaber-Karte, die vom Preis/Leistungs-Verhältnis (total) von der GeForce GTX 980 Ti überrannt wurde und eben nur noch aus Liebhaberei gekauft wird. Selbiges kann aber nicht AMDs Zielsetzung beim Fiji-Chip sein – noch dazu, wo kleine Absatzzahlen die Schwierigkeit aufwerfen, die in diesem Fall bekannt hohen Entwicklungskosten des Fiji-Chips wieder einzuspielen. Einziger Grund, an dieser Situation nichts ändern zu wollen, wäre die These, daß der Fiji-Chip vielleicht schnellstmöglich abgelöst wird – danach sieht es zwar nicht aus, aber nur AMD kann dies natürlich genau wissen.

Trifft diese Ausweich-These nicht zu, dann wird sich AMD beim Preis bewegen müssen, um den Fiji-Chip nicht als Investruine dastehen zu lassen. Die Idee, etwas technologisch neues und aufregendes zu bringen, nVidia auch bei der Performance oben anzugreifen, und dafür dann eben auch nVidia-Preise kassieren zu wollen, ist ganz augenscheinlich gescheitert. Wenn AMD wirklich seinen Fiji-Chip in Masse verkaufen will, müssen die Preise nicht nur auf ein dem Preis/Performance-Verhältnis entsprechendes Niveau herunter, sondern AMD-typisch muß nVidia beim Preis/Performance-Verhältnis unterboten werden – dies ist der einzige Weg, auf welchem AMD zuverlässig Umsätze macht. Und die Fiji-basierten Grafikkarten sind angesichts der nicht gänzlich zu nVidia gleichen Performance sowie der Speicherausstattung mit nur 4 GB auch nicht so rund gelungen, als daß sich AMD ein identisches Preisniveau wirklich leisten könnte.

Allerdings sollten Abgabepreise sowieso immer derart festgelegt werden, daß ein maximaler Markterfolg erzielt wird – nicht unbedingt zwingend auf dem höchsten Niveau, wo die Produkte gerade noch so gekauft werden (dies bleibt Platzhirschen wie Intel und nVidia überlassen). AMD sollte hier ruhig aggressiv vorgehen und die Fiji-basierten Grafikkarten zu Kampfpreisen positionieren, sofern dies seitens der (von uns natürlich nicht einsichtbaren) Produktionskosten möglich ist. Wir können in dieser Frage mangels genauer Kenntnis der Produktionskosten nur spekulieren, neben aber einfach einmal an, das Abgabepreise bis zu 400 Euro durchaus im Bereich des Möglichen bei Fiji-basierten Grafikkarten sind. AMD wird daran pro Stück logischerweise viel weniger verdienen, aber man bekommt somit die produzierten Fiji-Chips los, steigert seinen (am Boden liegenden) Marktanteil und kann über die größere Masse an Auslieferungen potentiell sogar einen insgesamt größeren Gewinn einfahren.

Als erstes müsste hierbei der Preis der Radeon R9 Fury (Perf.Index 620%/85%) auf das Niveau der GeForce GTX 980 (Perf.Index 600%/70%) von ab 490 Euro herunter, die Karten sollten in Folge preislich direkt miteinander konkurrieren. Erst dann kommt der leichte Performancevorteil der AMD-Karte auch wirklich zum tragen – und eben weil der Vorteil nur geringer Natur ist (unter 4K wird es dann allerdings deutlicher), darf AMD für die Radeon R9 Fury keinesfalls einen höheren Preis als bei der GeForce GTX 980 machen bzw. muß dann auch alle eventuell folgenden nVidia-Preissenkungen mitmachen. Als vorbereitende Aktion könnte man eventuell den der Preis der Radeon R9 390X auf 400 Euro heruntersetzen, weil ansonsten vielleicht zu nahe an der Radeon R9 Fury dranliegend.

Danach muß der Preis der Radeon R9 Nano (Perf.Index 600%/80%) erheblich angepasst werden: Die Karte ist letztlich nur unter 4K schneller als die GeForce GTX 980 (Perf.Index 600%/70%) und natürlich langsamer als die Radeon R9 Fury (Perf.Index 620%/85%), sie kann allein über ihr Design und den geringeren Strombedarf ihren Mehrpreis nicht rechtfertigen. Das Argument mit dem Strombedarf zieht insbesondere gegenüber den nVidia-Angeboten sowieso nicht, das Argument des Mini-ITX-Designs setzt die Karten hingegen zu sehr in eine kleine Nische – und so wenig will AMD sicherlich nicht von der Radeon R9 Nano verkaufen. Deren Preis darf realistischerweise maximal 50 Euro oberhalb der Radeon R9 Fury & GeForce GTX 980 liegen, also maximal 540 Euro. Eher zu empfehlen ist allerdings ein Preisabstand von nur 30 Euro, da die Radeon R9 Nano letztlich wie gesagt sogar etwas langsamer als die Radeon R9 Fury ist. Die 30 Euro wären ein fairer Liebhaberaufschlag, mehr ist angesichts der Preislagen zur GeForce GTX 980 kaum realistisch.

Und letztlich muß sich AMD eingestehen, daß die Radeon R9 Fury X (Perf.Index 670%/95%) trotz aller Bemühungen keine Gleichwertigkeit zur GeForce GTX 980 Ti (Perf.Index 730%/95%) hat erreichen können: Unter FullHD und WQHD (etwas) langsamer und mit weniger Speicher ausgerüstet, was gerade in der Paradedisziplin der UltraHD-Auflösung langfristig gesehen als ungünstig erscheint. Dafür kann man eingedenk des AMD-Malus (bzw. des nVidia-Bonus) einfach keine höhere Preise als bei der GeForce GTX 980 Ti machen – aber selbst leicht günstigere Preise lösen das Darstellungs- und Absatzproblem der Radeon R9 Fury X nicht. Zu empfehlen wäre für die Radeon R9 Fury X eine Preislage in der Mitte zwischen GeForce GTX 980 & 980 Ti bei ab 570 Euro, sprich klar und deutlich günstiger als die GeForce GTX 980 Ti.

Preis-Projektion hin zu marktgerechten Nano/Fury-Preisen
Liste Straße Perf. AMD nVidia Perf. Straße Liste
GeForce GTX Titan X 760%/100% 1050-1100€ 999$
GeForce GTX 980 Ti 730%/95% 650-680€ 649$
549$
(-100$)
~570€ 670%/95% Radeon R9 Fury X
499$
(-150$)
~520€ 600%/80% Radeon R9 Nano
469$
(-90$)
~490€ 620%/85% Radeon R9 Fury GeForce GTX 980 600%/70% 490-520€ 499$
389$
(-40$)
~400€ 570%/75% Radeon R9 390X

Erst mit diesen Preissenkungen würden AMDs Spitzenangebote eine Überlegung für ein breiteres Feld an Grafikkarten-Käufern wert sein – zu den derzeitigen Preislage sind diese AMD-Angebote unverständlicherweise überteuert. Erklären könnte AMD jene deutlichen Preissenkungen problemlos mit der nunmehr vorhandenen besseren Lieferbarkeit. Daß es sich hierbei um eine Anpassung an die Wettbewerbssituation handelt bzw. daß AMDs Fiji-basierte Grafikkarten sich weit weniger gut verkaufen als erhofft, wird am Ende sowieso jeder annehmen, diesen Gedankengang kann AMD gar nicht mehr verhindern. Aber nur um den schönen Schein zu wahren, sollte AMD nicht auf diesen realisierbaren Umsatz respektive die damit einhergehenden Marktanteile verzichten. Denn von allein werden sich die Nano/Fury-Verkäufe nicht mehr verbessern – AMD ist nahezu gezwungen, an dieser Stelle zu reagieren.

Nicht besonders zugkräftig ist im übrigen das Argument, daß man sich dabei die Preise der kleineren AMD-Grafikkarten verderben würde. Sicherlich, der Preis der Radeon R9 390X müsste womöglich etwas gesenkt werden – aber das war es dann auch schon. Selbst angenommen weitere Preisenkungen in Folge eines Preiskriegs mit nVidia müssten allein die Preise der Radeon R9 390 & 390X abfallen – unterhalb dieser Karten ist genügend preislicher Spielraum vorhanden, die kleineren AMD-Angebot wären in jedem Fall nicht betroffen. Und auch jenen Preiskrieg mit nVidia muß AMD nicht wirklich fürchten: Sicherlich, nVidia könnte jenen vom Zaun brechen und auch problemlos gewinnen – mit einem klassischen Pyrrhus-Sieg, bei welchem dann der einzige verbleibende Kontrahent abhanden kommt und man zukünftig als Monopolist harsche Auflagen der Wettbewerbshüter fürchten müsste.

Daher würde nVidia nur dann reagieren, wenn es gar nicht mehr anders geht – was jetzt eine eher unwahrscheinliche Situation ist, angesichts des nVidia-Bonus wird nVidia auch bei leicht höherer Preislage sehr gut verkaufen. AMD hat jetzt auch kein Produktangebot mit hoher Überlegenheit vorliegen, welches nVidia nur mit niedrigeren Preisen kontern könnte. Sofern AMD es clever anstellt und Preislagen festsetzt, welche die Grafikkartenkäufer zum Überlegen veranlassen, aber nVidia nicht gleich vorsätzlich ausschließen, wird nVidia höchstselbst die Finger vom Preiskampf lassen. Und am Ende kann es sich AMD aus reinen Kostengründen wohl sowieso nicht leisten, so tief mit den Preisen herunterzugehen, als daß man echte Preisbrecher-Angebote präsentieren könnte. Die Aufgabe für AMD liegt darin, die eigene Nano/Fury-Serie erst einmal preislich sinnvoll im Marktspektrum anzusiedeln – so das man jene Angebote aus unparteiischer Sicht auch wirklich empfehlen kann. Dies ist derzeit nicht der Fall, alle Fiji-basierten Grafikkarten werden klar zu teuer angeboten.

PS:
Dieser Artikel wurde unabhängig der derzeitigen Kapriolen des Dollar/Euro-Kurses verfasst, da von diesen letztlich beide Grafikchip-Entwickler sowie alle Grafikkarten-Hersteller gleichermaßen betroffen sind. Wenn die schlechteren Umrechnungskurse also dann eines Tages höhere Europreise für die genannten AMD-Grafikkarten ergeben, wird dies in gleichem Maße auch für die genannten nVidia-Grafikkarten zutreffen.