Von Hardware Unboxed kommt ein derzeit vielbeachtetes wie auch vieldiskutiertes YouTube-Video, welches womöglich auf Performance-Probleme von nVidia-Grafikkarten mit kleineren Prozessoren hindeutet. Diese Kombination wird selten getestet (vor allem nicht vergleichend), womit eine solche Problematik durchaus unerkannt durchrutschen könnte. Für ihren Test haben sich Hardware Unboxed primär auf "Watch Dogs: Legion" konzentriert, welches unter der FullHD-Einstellung mit "Medium"-Bildqualitätspreset dann schon in erheblichen Maßstab an der CPU-Performance hängt, womit sich Leistungsunterschiede verschiedener Prozessoren gut darstellen lassen. Die allererste im Video gezeigte Benchmark-Grafik liefert umgehend den Blick auf das Ärgernis: Die nominell viel schnellere GeForce RTX 3090 ist mit langsameren Prozessoren beachtbar langsamer als eine Radeon RX 5700 XT oder gar eine Radeon RX 5600 XT:
Sicherlich werden in einem CPU-limitierten Umfeld die Performance-Differenzen zwischen verschiedenen Grafikkarten teilweise arg zusammengedrückt oder können bei totaler CPU-Limitierung auch einmal ganz verschwinden – sie sollten sich nur niemals ins Negative umkehren, sprich kleinere Grafikkarten als "schneller" herauskommen lassen. Allerdings enthält diese Benchmark-Grafik genauso bereits einen Ansatz zur Entkräftung der aufgestellten These: Denn die nVidia-Karten kommen in diesem Test durchgehend schlechter weg, selbst unter einem Ryzen 5 5600X. Dies wird mit der allerersten von Hardware Unboxed in deren Video dargebotenen Benchmark-Grafik nicht deutlich, weil dort die Werte zur Radeon RX 6900 XT weggelassen wurden. Unter Hinzunahme von deren Werten wird jedoch klarer, dass die niedrigen Performance-Werte der nVidia-Karten nicht zwingend mit einer schwächeren Performance unter kleineren Prozessoren zu erklären sind – sondern in diesem Fall die nVidia-Hardware einfach generell langsamer läuft:
Noch deutlicher wird dies, wenn man sich rein auf die Spitzen-Grafikkarten konzentriert und dort die Differenz-Werte zwischen den kleineren Prozessoren zum Ryzen 5 5600X ermittelt. Jene zeigen an, dass AMD- und nVidia-Hardware ziemlich gleichförmig in diesem Test mit kleineren Prozessoren verlieren – beispielsweise im Fall des Ryzen 5 1600X die Radeon RX 6900 XT (–40% zum Ryzen 5 5600X) sogar minimal stärker als die GeForce RTX 3090 (–39%). Die Skalierung mit der vorhandenen Prozessoren-Power ist ergo ähnlich bis gleich, womit vielmehr die allgemeine fps-Höhe auf nVidia-Seite anzumängeln wäre – was dann eher ein Problem der generellen nVidia-Performance in diesem Test darstellt, nicht jedoch ein Problem allein bei kleineren Prozessoren. Natürlich kann man auch dies bemängeln bzw. wird damit der Punkt, dass die GeForce RTX 3090 unter diesem Test teilweise unterhalb von Radeon RX 5600 XT und 5700 XT herauskommt, bestenfalls etwas abgeschwächt – jedoch nicht aus der Welt geschafft.
WDL @ FHD "Medium" | i3-10100 | 1600X | 2600X | 3600X | 5600X |
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Radeon RX 6800 | 110 (–30%) | 100 (–36%) | 112 (–29%) | 139 (–11%) | 157 |
Radeon RX 6900 XT | 111 (–34%) | 100 (–40%) | 112 (–33%) | 130 (–22%) | 167 |
GeForce RTX 3090 | 94 (–33%) | 85 (–39%) | 93 (–34%) | 113 (–19%) | 140 |
GeForce RTX 3070 | 93 (–31%) | 83 (–39%) | 91 (–33%) | 109 (–19%) | 135 |
GeForce RTX 2080 Ti | 95 (–27%) | 83 (–36%) | 93 (–28%) | 109 (–16%) | 130 |
Watch Dogs Legion @ FullHD "Medium"; alle Werte-Angaben in fps, Differenz-Werte immer zum Ryzen 5 5600X; Benchmark-Werte gemäß den Ausführungen von Hardware Unboxed @ YouTube |
Eventuell besser geeignet für die ursprüngliche These einer schwächeren nVidia-Performance unter kleineren Prozessoren ist daher der ebenfalls angestellte Benchmark-Vergleich mit "Horizon Zero Dawn" unter der FullHD-Einstellung mit "Original"-Bildqualitätspreset (was im groben "Medium" entspricht). Hierbei ergibt sich nicht mehr der Störpunkt einer generell schwächeren nVidia-Performance selbst mit einem starken Ryzen 5 5600X Prozessor – GeForce RTX 3090 und Radeon RX 6900 XT kommen mit dieser CPU grob in etwa gleichstark heraus. Trotzdem kommen die AMD-Grafikkarten weiterhin besser mit den kleineren Prozessoren zurecht: Auch hier gewinnt wieder die (nominell deutlich langsamer) Radeon RX 5700 XT teilweise gegenüber der GeForce RTX 3090 – zumindest im Vergleich unter dem Ryzen 5 1600X. Gegenüber der GeForce RTX 3070 wird es deutlicher, dabei gewinnt die genannte AMD-Grafikkarte alle Tests unter den kleineren Prozessoren:
In diesem Fall stimmen dann auch die Differenzwerte zur aufgestellten These: Die Radeon RX 6900 XT verliert durchgehend klar weniger an Performance mit den kleineren Prozessoren als beide nVidia-Grafikkarten. Im Fall von "Horizon Zero Dawn" unter den gewählten Settings (FullHD mit "Original"-Bildqualitätspreset) kann man also durchaus sagen, dass (neuere) nVidia-Hardware schlechter mit kleineren Prozessoren zusammenarbeitet, hierbei mehr Performance verliert als (neuere) AMD-Hardware. Die aufgestellte These kann somit zumindest unter diesem Einzelfall mit einem (einzelnen) Beleg ausgestattet werden. Woran dies konkret hängen mag, liegt dagegen noch im Feld der Diskussionen zu diesem Fall. Hardware Unboxed gehen in ihrem Video von einem größerem Treiber-Overhead seitens nVidia aus – was insofern ungewöhnlich wäre, als dass nVidia in der Vergangenheit eigentlich genau für das Gegenteil bekannt war.
HZD @ FHD "Original" | i3-10100 | 1600X | 2600X | 5600X | |
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Radeon RX 6900 XT | 164 (–15%) | 138 (–28%) | 148 (–23%) | 192 | |
GeForce RTX 3090 | 136 (–27%) | 109 (–42%) | 125 (–33%) | 187 | |
GeForce RTX 3070 | 118 (–20%) | 98 (–34%) | 109 (–26%) | 148 | |
Horizon Zero Dawn @ FullHD "Medium"; alle Werte-Angaben in fps, Differenz-Werte immer zum Ryzen 5 5600X; Benchmark-Werte gemäß den Ausführungen von Hardware Unboxed @ YouTube |
Allerdings erscheint die Aussagekraft der bisher hierzu zu sehenden Benchmarks als noch zu gering, um jetzt schon von einer generellen "nVidia-Schwäche bei Low-End CPUs" zu sprechen (Wortwahl "Low-End CPUs" seitens Hardware Unboxed). Denn einer der beiden Benchmark läßt eine alternative Deutung zu, nur der zweite Benchmark ist dann weitgehend eindeutig – und dann war das Testfeld zu Ende. Normalerweise müsste das ganze unter einer größeren Anzahl an Spieletiteln belegt werden, gerade wenn man von einer generellen "Schwäche" spricht. Der kolportierte Treiber-Overhead müsste schließlich unter allen (API-gleichen) Spielen wirken, ergo sollte dessen Effekt unter nahezu jedem Spieletitel zu sehen sein. Dies sollte dann aber auch wenigstens einmal großflächig belegt werden.
Zudem gilt die generelle Einschränkung, dass der beobachtete Effekt wirklich nur unter FullHD und einer Medium-Bildqualität existiert. Sobald Auflösung oder Bildqualität höher angesetzt werden, wird alles umgehend wieder "normal" und kommen keine so beachtbaren Differenzen zwischen AMD- und nVidia-Grafikkarten unter kleineren Prozessoren heraus. Dies bedeutet, dass jenes Thema nur eine kleine Gruppe an Gamern tatsächlich betrifft: Nutzer schneller nVidia-Grafikkarten auf kleineren Prozessoren unter FullHD auf mittlerer Bildqualität. Angesichts der Kombination von Bildqualitätssettings mit Grafikkarten-Power trifft dies wohl nur auf High-fps-Gamer zu, vorzugsweise im kompetiven Bereich. Jene dürften zum größeren Teil jedoch sowieso höhere Auflösungen bevorzugen bzw. oftmals schnellere Prozessoren einsetzen, was die Gruppe der betroffenen Anwender nochmals verkleinert.
Nichtsdestotrotz ist nunmehr das Thema aufgeworfen und wartet auf eine Reaktion nVidias. In der Zwischenzeit könnte man allerdings durchaus daran gehen, die aufgestellte These mittels neuem Datenmaterial besser abzustützen – Benchmarks unter weiteren Spielen mit ähnlicher Performance-Charakteristik wären hierzu willkommen. Eventuell entdeckt man bei entsprechenden Tiefen-Benchmarks auch klarere Fälle oder gar einen (besseren) Hinweis auf die Ursache des ganzen. Allerdings sollte man dies auch wirklich Ergebnis-offen testen, denn die vorstehend dargelegten Benchmarks unter zwei Spieletiteln rechtfertigen eigentlich noch keine generelle Aussage. Das Fragezeichen im Titel unserer Meldung wurde nicht von ungefähr notiert – die These wurde aufgeworfen, aber eben noch nicht ausreichend eindeutig bewiesen.
PS:
Dieser Beitrag wurde am 14. März 2021 zuerst einmal als News-Meldung veröffentlicht, mit Wirkung vom 28. März 2021 dann zu einem "Artikel" aufgewertet. Die Gründe hierfür sind: Zum einen wurde die ursprüngliche These, welche in der Original-Meldung nicht ausreichend klar bewiesen wurde, nun mittels umfangreicher Benchmarks deutlich besser belegt. Um zum anderen haben sich zu diesem Thema eine Vielzahl an Nachträgen (siehe nächste Artikel-Seite) ergeben bzw. sind weitere zu erwarten, womit die Auslagerung in die besser wieder findbare Form eines "Artikel" sinnvoll erschien.