Launch-Analyse: AMD Radeon HD 6790

Dienstag, 5. April 2011
 / von Leonidas
 

Nach der GeForce GTX 550 Ti schickt nun auch AMD eine neue Grafikkarte für das obere Mainstream-Segment (zu Preislagen von etwas über 100 Euro) ins Rennen. AMD benutzt dabei für die Radeon HD 6790 den RV940/Barts-Chip der Radeon HD 6800 Serie, speckt diesen jedoch gehörig ab, um sich sowohl von der Performance als auch dem Preis her deutlich von der Radeon HD 6800 Serie (nach unten hin) absetzen zu können. Ob die Radeon HD 6790 glücklicher agiert als bei der GeForce GTX 550 Ti der Fall, werden wir nachfolgend herausarbeiten.

GeForce GTX 550 Ti und Radeon HD 6790 agieren im exakt selben Preissegment, basieren aber auf grundsätzlich verschiedenen Philosophien: Während die GeForce GTX 550 Ti den Vollausbau eines reinrassigen Mainstream-Grafikchips (GF116) darstellt, benutzt AMD für die Radeon HD 6790 wie gesagt den Performance-Grafikchip RV940/Barts und nicht den eigentlichen Mainstream-Grafikchip RV840/Juniper der Radeon HD 5700 Serie (welche im OEM-Bereich inzwischen auch als baugleiche "Radeon HD 6750" und "Radeon HD 6770" auftritt).

AMD Radeon HD 6790 Product Positioning

Um den RV940/Barts-Chip für Mainstream-Bedürfnisse passend zu machen, hat AMD diesen für die Radeon HD 6790 entscheidend abgespeckt: Von den 1120 Shader-Einheiten samt 56 Textureneinheiten des RV940/Barts-Chips gibt es bei der Radeon HD 6790 nur noch 800 Shader-Einheiten samt 40 Textureneinheiten – diesbezüglich ist die Radeon HD 6790 im übrigen exakt gleich zur Radeon HD 5770. Deutlichst abgespeckt ist die Radeon HD 6790 auch bei den ROP-Einheiten, welche im Gegensatz zu Radeon HD 6850 & 6870 mit jeweils 32 Stück auf 16 Stück bei der Radeon HD 6790 glatt halbiert wurden – auch hier besteht wieder totale Waffengleichheit zur Radeon HD 5770.

Einzig allein das Speicherinterface der Radeon HD 6790 ist bei 256 Bit DDR verblieben – und damit gleich zur Radeon HD 6850 & 6870 und der einzige augenscheinliche Hardware-Unterschied zur Radeon HD 5770. Das ist aber natürlich nicht die vollständige Wahrheit: Als RV940/Barts-Abkömmling verfügt die Radeon HD 6790 auch über die veränderte Raster-Engine dieses Grafikchips mit dem gegenüber dem RV840/Juniper-Chip verdoppeltem Raster-Setup, kann also die zur Verfügung stehenden Hardware-Einheiten etwas effizienter auslasten. Auch andere kleinere Verbesserungen des RV940/Barts-Designs heben die Radeon HD 6790 von der Radeon HD 5700 Serie ab.

Radeon HD 5770 Radeon HD 5830 Radeon HD 6790 Radeon HD 6850 GeForce GTX 550 Ti
Chipbasis AMD RV840/Juniper, 1040 Mill. Transistoren in 40nm auf 166mm² Die-Fläche AMD RV870/Cypress, 2150 Millionen Transistoren in 40nm auf 334mm² Die-Fläche AMD RV940/Barts, 1700 Millionen Transistoren in 40nm auf 255mm² Die-Fläche nVidia GF116, 1170 Mill. Transistoren in 40nm auf ca. 230mm² Die-Fläche
Technik 800 (5D) Shader-Einheiten, 40 TMUs, 16 ROPs, 128 Bit DDR Interface 1120 (5D) Shader-Einheiten, 56 TMUs, 16 ROPs, 256 Bit DDR Interface 800 (5D) Shader-Einheiten, 40 TMUs, 16 ROPs, 256 Bit DDR Interface 960 (5D) Shader-Einheiten, 48 TMUs, 32 ROPs, 256 Bit DDR Interface 192 (1D) Shader-Einheiten, 32 TMUs, 24 ROPs, 192 Bit DDR Interface
Taktraten 850/2400 MHz 800/2000 MHz 840/2100 MHz 775/2000 MHz 900/1800/2050 MHz
Speicherausbau 512 oder 1024 MB GDDR5 1024 MB GDDR5 1024 MB GDDR5 1024 MB GDDR5 1024 MB GDDR5
Layout DualSlot DualSlot DualSlot DualSlot DualSlot
Kartenlänge 22cm 24-28cm 23-28cm 23cm 21cm
Stromanschlüsse 1x 6pol. 2x 6pol. 2x 6pol. 1x 6pol. 1x 6pol.
TDP 108W 175W 150W 127W 116W
Preislage 90-100 Euro 125-140 Euro Listenpreis 119 Euro 125-140 Euro 100-120 Euro

In der Summe wäre somit eher der Verkaufsname "Radeon HD 6830" angebracht gewesen – zum einen, weil dieser die Abstammung aus der RV940/Barts-Chipreihe korrekt ausgedrücken würde, und zum anderen, weil die Abspeckungen der neuen Karte sehr ähnlich zu den Abspeckungen der Radeon HD 5830 sind. Zu beachten sind hierbei insbesondere die nur 16 ROPs, welche zumindest die Radeon HD 5830 "seinerzeit" deutlich behindert haben – wie dies bei der Radeon HD 6790 ausschaut, wird man sehen müssen.

Rohleistungs-Vergleich GeForce GTX 550 Ti & Radeon HD 5770/5830/6790/6850 (aktualisiert)

Bezüglich der Rohleistungen – welche sich aus der Anzahl der Hardware-Einheiten und den jeweiligen Taktraten ergeben – kann sich die Radeon HD 6790 durch ihre recht hohen Taktraten dann wieder ganz gut positionieren – gegenüber der Radeon HD 6850 besteht nur ein Unterschied von ca. 10 Prozent bei der Rechen- und Texturierleistung, zuzüglich natürlich eines überdimensionalen Unterschieds bei der ROP-Leistung. Gegenüber der Radeon HD 5770 ist die Radeon HD 6790 fast identisch, nur gibt es eine um 75 Prozent höhere Speicherbandbreite – die Radeon HD 6790 sieht hier so aus wie eine Radeon HD 5770 mit 256bittigem Speicherinterface.

Interessant wird noch der Vergleich zur Radeon HD 5830 werden, die wie gesagt eine ähnliche Hardware-Charakteristik wie die Radeon HD 6790 aufweist. Die Radeon HD 5830 kann jedoch gegenüber der Radeon HD 6790 mit einer immerhin um 32 Prozent höheren Rechen- und Texturierleistung punkten, bei ansonsten ähnlichen Werten bei ROP-Leistung und Speicherbandbreite. Hier wird sich zeigen müssen, ob der neuere Chip der Radeon HD 6790 (RV940/Barts) trotz niedrigerer Rohleistungen und ohne markante technologische Vorteile mit dem älteren Chip der Radeon HD 5830 (RV870/Cypress) mithalten kann.

Technisch realisiert wird die Radeon HD 6790 im übrigen auf dem einfachstmöglichen Weg – unter Benutzung des Grafikboards der Radeon HD 6870. Die Grafikkartenhersteller dürfen natürlich auch Eigenkreationen oder Grafikboards der Radeon HD 6850 verwenden, diesbezüglich dürfte es schnell zu einer Vielzahl an sehr unterschiedlichen Ausführungen der Radeon HD 6790 am Markt kommen. Der anfängliche Rückgriff auf das Grafikboard der Radeon HD 6870 wird aber notwendig wegen der höheren TDP der Radeon HD 6790, welche sich wiederum aus der höheren von AMD angesetzten Chip- und Speicherspannung erklärt (Messungen seitens HT4U):

HT4U Radeon HD 6790 Radeon HD 6850 Radeon HD 6870
Technik 800 Shader-Einheiten, 40 TMUs, 16 ROPs, 256 Bit Interface 960 Shader-Einheiten, 48 TMUs, 32 ROPs, 256 Bit Interface 1120 Shader-Einheiten, 56 TMUs, 32 ROPs, 256 Bit Interface
Takt 840/2100 MHz 775/2000 MHz 900/2100 MHz
Spannung Last 1,205/1,614V 1,131/1,608V 1,212/1,600V

Die Unterschiede zwischen den Chipspannungen mögen auf den ersten Blick eher gering und vor allem kleiner als die Hardware-Unterschiede sein – allerdings gehen die Spannungen immer gleich im Quadrat in die Rechnung zur Leistungsaufnahme ein, haben auch diese scheinbar kleinen Unterschiede ihre gewichtige Bedeutung. In der Summe aller Eigenschaften trifft für die Radeon HD 6790 damit letztlich zu, was vorab befürchtet worden war: Eine Leistungsaufnahme etwas höher als bei der Radeon HD 6850, trotz klar geringerer Performance gegenüber dieser Karte (Messungen rein der Grafikkarten-Leistungsaufnahme seitens HT4U):

HT4U Idle MultiMon. Spiele FurMark TDP/MGCP
Radeon HD 5750 15W 27W 64W 77W 86W
Radeon HD 5770 16W 36W 81W 98W 108W
Radeon HD 5830 20W 48W 120W 159W 175W
Radeon HD 6790 17W 44W 109W 122W 150W
Radeon HD 6850 19W 40W 104W 117W 127W
GeForce GTS 450 12W 30W 84W 102W 106W
GeForce GTX 550 Ti 14W ca. 40W ca. 105W ca. 125W 116W
GeForce GTX 460 768MB 14W 39W 113W 137W 150W

Die Leistungsaufnahme der Radeon HD 6790 ist mit 109 Watt unter Spielen etwas höher als bei der Radeon HD 6850 mit nur 104 Watt unter Spielen – dies ist zwar kein Beinbruch, aber dennoch kein Pluspunkt der Radeon HD 6790. Andererseits muß auch gesagt werden, daß im gesamten Feld dieser Karten nur Radeon HD 5750, 5770 und 6850 eine zur ihrer Performance wirklich passende Leistungsaufnahme haben und gerade die GeForce GTX 550 Ti als eigentlicher Kontrahent der Radeon HD 6790 ebenfalls mit ca. 105 Watt unter Spielen etwas zu viel verbraucht. Offenbar muß sich der Käufer einer 100-Euro-Grafikkarte damit anfreunden, innerhalb der 40nm-Generation fast ausschließlich nur Karten mit einer Leistungsaufnahme von 100 Watt unter Spielen zur Auswahl zu haben.