Beschnittene Grafikkarten im Umlauf, Teil 2

Freitag, 26. Dezember 2008
 / von Leonidas
 

Schon vor einigen Monaten hatten wir in einem ähnlichen Artikel über in ihren Spezifikationen beschnittene Grafikkarten berichten müssen. Seinerzeit ging es vor allem um teilweise wirklich abartig gekürzte GeForce8-Karten sowie mehrere Ausführungen einer Radeon HD 3850 DDR2 mit entsprechend niedrigerem Speichertakt. Wer aber dachte, damit sei die Angelegenheit vorbei und die Grafikkarten-Hersteller würden nun vor allem die neueren Grafikkarten in Ruhe lassen, sieht sich getäuscht.

Vielmehr haben sich in letzter Zeit eine ganze Reihe an neuen beschnittenen Grafikkarten ergeben. Auffallend ist dabei, daß es sich hierbei weniger um Einzelmodelle handelt, vielmehr taucht dieselbe beschnittene Grafikkarte oftmals bei vielen Herstellern in derselben gekürzten Version auf. Man kann also faktisch von extra Grafikkarten reden – was aber weder die Grafikchip-Entwickler noch die Grafikkarten-Hersteller in dieser Form offenlegen. Dagegen wird wieder einmal versucht, unter einem bekannten Namen ein klar schlechteres Produkt zu verkaufen.

Denn dies ist der andere auffallende Punkt: Die getätigten Abspeckungen sind fast überall gravierend, wir reden hier also nicht von 10 Prozent Leistungsverlust. In den meisten Fällen sind die Abspeckungen so gewaltig, daß 30 bis 50 Prozent Leistungsverlust zu erwarten sind – und natürlich wieder ohne das dem ein auch nur ansatzweise gleichwertiger Preisnachlaß gegenüberstehend würde. Denn oftmals werden diese beschnittenen Grafikkarten im exakt selben Preisfeld verkauft wie die regulären Versionen.

Im Gegensatz zum letzten Artikel werden wir diese beschnittenen Grafikkarten nicht einzeln aufzählen, die ist zum einen zu viel der Ehre und zum anderen würde eine solche Liste leider zu lang werden. Wir weisen nachfolgend also tabellarisch darauf hin, bei welchen Grafikkarten es beschnittene Versionen zu beachten gibt und fügen nur eine Liste der uns bekannten Hersteller an, welche allerdings womöglich nicht vollständig ist. Wichtig für den Grafikkartenkäufer ist wohl eher zu wissen, wo man beschnittene Grafikkarten erwarten muß und wie diese zu erkennen sind:

Beschnittene Grafikkarten Abspeckungen Auswirkungen Hersteller
Radeon HD 3850 DDR2 nur DDR2-Speicher anstatt GDDR3, damit Speichertakt nur zwischen 400 und maximal 500 MHz anstatt regulär 830 MHz 30 bis 50 Prozent Leistungsverlust für den im Schnitt selben Preis Asus EAH3850 MAGIC/HTDP/512M
Asus EAH3850 SMART OC/HTDI/1G
Gainward Radeon HD 3850 512MB DDR2
Gainward Radeon HD 3850 1024MB DDR2
MSI RX3850-T2D1G
Palit/XpertVision Radeon HD 3850 Super 512MB DDR2
Palit/XpertVision Radeon HD 3850 Super+ 1024MB DDR2
PowerColor Radeon HD 3850 1024MB DDR2
Sapphire Radeon HD 3850 512MB DDR2
Sapphire Radeon HD 3850 1024MB DDR2
Radeon HD 3870 GDDR3 GDDR3-Speicher anstatt GDDR4 – prinzipiell ist diese Speichersorte sogar etwas besser, aber in allen Fällen liegt der Speichertakt dieser GDDR3-Versionen klar (800 bis 1000 MHz) unterhalb der regulären GDDR4-Version (1125 MHz) ja nach Speichertakt zwischen 5 und 25 Prozent Leistungsverlust für einen im Schnitt 10 Euro besseren Preis Asus EAH3870 MAGIC/HTDI/512M
Gainward Radeon HD 3870 512MB GDDR3
GeCube Radeon HD 3870 512MB GDDDR3
Gigabyte GV-RX387512HP
Palit/XpertVision Radeon HD 3870 512MB GDDR3
PowerColor Radeon HD 3870 PCS
Sapphire Radeon HD 3870 512MB GDDR3
GeForce 9600 GSO (G94) DDR2 nur DDR2-Speicher anstatt GDDR3, damit Speichertakt nur zwischen 400 und maximal 500 MHz anstatt regulär 900 MHz 20 bis 40 Prozent Leistungsverlust für den im Schnitt selben Preis Asus EN9600GSO MAGIC/HTDP/512M
(diese Karte hat zudem angeblich nur ein 128 Bit anstatt eines 256 Bit DDR Speicherinterfaces!)
Gainward Bliss GeForce 9600 GSO 1024MB DDR2
Palit/Xpertvision GeForce 9600 GSO Smart 512MB DDR2
Palit/Xpertvision GeForce 9600 GSO Smart 1024MB DDR2

Die sind erst einmal diese Fälle, welche uns bekannt sind und welche sofort ins Auge stechen. Gänzliche Sicherheit, daß unter den hier nicht genannten Grafikkarten keine ebenfalls abgespeckten Fälle gibt, kann natürlich nicht gegeben werden. Deshalb ist auch immer zu empfehlen, vor einem Kauf zu prüfen, ob das Objekt des Kaufinteresses die offiziellen Spezifikationen des Grafikchip-Entwicklers erfüllt – alle dafür notwendigen Daten sind unseren regelmäßigen Marktüberblicks-Artikeln zu entnehmen.

Bewußt nicht aufgeführt in obiger Liste wurden zudem DDR2-Ausführungen des LowCost-Bereichs – einfach, weil diese Speicherbestückung dort inzwischen normal geworden ist. Es ist bei ausgesprochenen Billig-Grafikkarten, wo die zu erwartende Spieleleistung kein Hauptkriterium beim Kauf spielt, auch nicht wirklich zu verdammen, wenn die Grafikkartenhersteller hierbei günstigere Modelle mit eben nur DDR2-Speicher (samt dazugehörigem niedrigen Speichertakt) auf den Markt werfen. Problematisch wird es halt nur, wenn diese Vorgehensweise auch auf Mainstreammodelle angewandt wird, weil dann durch den niedrigen Speichertakt ein erheblicher Teil der Leistung dieser Karten fehlt.

Besonders zu kritisieren ist hierbei der Punkt, daß die Käufer solcher beschnittenen Grafikkarten derzeit bis auf Ausnahmen keinen vernünftigen Preisnachlaß für den erheblichen Nachteil bei der Performance erhalten. Wenn reguläre GDDR3-Ausführungen und im Speichertakt deutlich niedrigere DDR2-Ausführungen für oftmals denselben Preis verkauft werden oder aber sich der Preisunterschied nur bei klar unterhalb 10 Euro bewegt, wird der Käufer solcher DDR2-Modelle schlicht von den Anbietern solcher Ware hintergangen (um nicht noch unfeinere, nichtsdestotrotz aber passende Ausdrücke zu verwenden).

Eine Frage an die Anbieter solcherart "verstümmelten" Grafikkarten: Wo soll bitte der Mehrwert des Kunden liegen, wenn man für einen mit Hängen und Würgen fünfprozentigen Preisnachlaß eine Karte ersteht, welche mit einem großen Namen wirbt, aber problemlos 20 bis 50 Prozent langsamer ist als das Referenzmodell dieser Karte?! Alle herstellerspezifischen Sonderformen und sogenannte "Marktwünsche" in Ehren, wir können uns aber keinen Grund denken, wieso man außerhalb des LowCost-Segments einen hohen Nachteil bei der Performance gegen einen nur klar geringfügigen Vorteil beim Preis tauschen sollte.

Und bewußt tauscht dies wohl auch niemand – allerdings dürfte es genügend Käufer von Grafikkarten des Mainstream-Segments geben, welche ausgehend von einem guten Testbericht eines Referenzmodells eine Grafikkarte erworben haben, welche zwar den gleichen Namen trägt, aber eben nur mit DDR2-Speicher daherkommt und damit deutlich langsamer ist. Wenn das ganze dann noch zu einem nicht nennenswerten Minderpreis über die Bühne gegangen ist, hat der Grafikkartenkäufer letztlich nichts in den Händen außer dem deutlichem Performanceverlust. So kann man sich natürlich auch seine Kundschaft vergräzen.

Insgesamt ist die Angelegenheit also keineswegs ein Ruhmesblatt für die beteiligten Grafikkarten-Hersteller, Grafikchip-Entwickler und auch die Händler, welche diese Karten überhaupt ins Angebot aufnehmen. Da hier aber leider noch keinerlei Einsehen von diesen drei Parteien aus zu bemerken ist, muß der Grafikkartenkäufer wohl vorerst mit der Situation leben – und ein mögliches Kaufobjekt eben noch genauer vor dem Kauf prüfen.

Ein Wort noch zu den GDDR3-Versionen der Radeon HD 3870, da diese ein wenig einen Sondernfall darstellen: Zum einen sind die GDDR3-Versionen im Schnitt um 10 Euro respektive ca. 10 Prozent günstiger, zum anderen ist GDDR3 sogar die etwas schnellere Speicherart gegenüber dem regulären GDDR4-Speicher dieser Karte. Sofern also die Absenkung des Speichertakts nicht besonders groß ausfällt (ab 950 MHz), könnten hier ausnahmsweise doch ganz interessante Modelle herauskommen. Den Karten mit starker Absenkung des Speichertakts (unter 900 MHz) dürfte dies aber auch nicht weiterhelfen, selbst der günstigere Preispunkt reißt dies dann nicht mehr heraus.

Bei der Radeon HD 3870 GDDR3 handelt es sich jedoch somit immer um Einzelfall-Entscheidungen – im Gegensatz zu den vorgenannten DDR2-Versionen von GeForce 9600 GSO und Radeon HD 3850 welche allesamt keine sinnvollen Angebote darstellen.

Nachtrag vom 29. Dezember 2008:

Dieser Artikel hat noch eine kleine Korrektur bekommen: Eine ursprünglich als Radeon HD 4670 DDR2 bezeichnete Karte war in Wirklichkeit keine Radeon HD 4670, sondern nur eine Radeon HD 4650. Bei der Durchsicht dieser Grafikkarte hat sich zudem herausgestellt, daß es reihenweise Radeon HD 4650 Karten mit nur DDR2-Speicher gibt. Zuerst nahmen wir an, daß es sich hierbei auch um abgespeckte Versionen der Radeon HD 4650 handelt, inzwischen ergab sich jedoch aus der Diskussion zum Artikel, daß die Radeon HD 4650 von ATI generell nur mit DDR2-Speicher geplant wurde und daß die (wenigen) verfügbaren Radeon HD 4650 Varianten mit GDDR3-Speicher die eigentlichen Sondervarianten darstellen. Demzufolge wurde die Radeon HD 4650 DDR2 hier also doch nicht gelistet (wir bitten die zwischenzeitliche kleine Verwirrung zu entschuldigen).

Von diesem "Schicksal" ebenfalls verschont wurden im übrigen bewußt die GeForce 9500 GT DDR2-Karten, weil hier der seltenen Fall vorliegt, daß der Grafikchip-Entwickler sich zu diesen Karten offen bekennt: Auf der Spezifikations-Webseite zur GeForce 9500 GT findet sich nicht einfach nur ein Hinweis zu möglichen DDR2-Varianten, sondern es werden auch der niedrigere Speichertakt und damit die niedrigere Speicherbandbreite der DDR2-Variante dieser Grafikkarte exakt ausgewiesen. Genau so stellt man sich eine korrekte Informationspolitik der Hersteller vor – hier kann jeder vorab erkennen, was es für Varianten gibt und was es demzufolge beim Kauf zu beachten gibt.