AMD präsentiert die "Graphics Core Next" Grafikchip-Architektur

Samstag, 18. Juni 2011
 / von Leonidas
 

AMD hat auf seinem "Fusion Developer Summit" viele technische Informationen über seine nächste Grafikchip-Architektur bekanntgegeben, welche derzeit von AMD als "Graphics Core Next" bezeichnet wird. Hardware.fr zeigen hierzu reichlich Präsentationsfolien-Material, weitere Folien sowie interessante technische Erläuterungen zur "Graphics Core Next" Architektur sind unserem Forum zu entnehmen. Die einzelnen Folien haben aber zumeist keine große Aussagekraft, da AMD sehr in die technischen Details von Programmierung und konkretem Einheitenaufbau geht, während das große Ganze faktisch nicht erwähnt wird. Dies ist aber auch verständlich: AMD hat hier eine neue Architektur vorgestellt und keinen neuen Grafikchip – zudem wird man den Teufel tun und jetzt schon Informationen herausgeben, welche auf die Leistungsfähigkeit entsprechender Grafiklösungen schließen lassen.

Deutlich erkennen läßt sich allerdings schon der klare Stilbruch zu den bisherigen AMD-Grafikchips: Die "Graphics Core Next" Architektur wird zum einen deutlich auf die Übernahme zusätzlicher GPGPU-Aufgaben ausgelegt – und zum anderen schwört AMD dem bisherigen VLIW-Modell der Shader-Einheiten ab und bringt reguläre "1D" Shader-Einheiten wie in den Grafikchips von Intel und nVidia zu finden. Grob gesagt nähert sich AMDs "Graphics Core Next" Architektur damit deutlich nVidias Fermi-Architektur an – und geht in Teilen sogar darüber hinaus (Support von virtuellem Speicher, was Fermi noch nicht kann). Die meisten Änderungen wurden dabei zugunsten von GPGPU und dem Fusion-Konzept gemacht – die "Graphics Core Next" Architektur ist ganz deutlich darauf ausgelegt, später einmal in eine CPU integriert zu werden und dort die CPU als Co-Prozessor direkt zu unterstützen.

Aus diesem Blickwinkel wurde das ganze von AMD auch maßgeblich präsentiert – womit es um so schwerer ist zu erkennen, wo die Vorteile bzw. Unterschiede rein aus dem Blickwinkel eines Spielebeschleunigers liegen werden. Klar ist erst einmal, daß AMD mit dem Verzicht auf die VLIW Shader-Einheiten und dem Wechsel zu "1D" Shader-Einheiten stärker zu nVidia vergleichbar wird: Die VLIW-Einheiten standen zwar für eine hohe ereichbare theoretische Rechenleistung, konnten aber nie ganz so perfekt ausgelastet werden. Potentiell wird die Auslastung mit den "1D" Shader-Einheiten deutlich besser, womit (ebenso theoretisch) nicht mehr ganz so viele davon verbaut werden müssen – nVidia kommt bei seinen Grafikchips schließlich regelmäßig mit gut der Hälfte der theoretischen Rechenleistung wie bei vergleichbaren AMD-Grafikchips aus.

Wie gesagt ist AMD mittels dieser Neuorganisation der Shader-Einheiten nicht dazu gezwungen, deutlich mehr Recheneinheiten zu verbauen, weil allein durch den Effizienzgewinn der "Graphics Core Next" Architektur die rein praktisch verfügbare Rechenleistung steigen wird. Natürlich wird die kommende 28nm-Fertigung trotzdem mehr Recheneinheiten möglich machen, die "Graphics Core Next" Architektur wird wohl auf einen Mix zwischen höherer Anzahl an Recheneinheiten und Effizienzgewinn setzen. Eine pure Verdopplung der Recheneinheiten, wie bisher bei AMD bei Verfügbarkeit eines neuen Fertigungsverfahrens üblich, ist bei der "Graphics Core Next" Architektur allerdings eher unwahrscheinlich.

Schließlich muß man einrechnen, daß AMD bei dieser "Graphics Core Next" Architektur reichlich Transistoren für GPGPU opfert, die allerdings im Gaming-Alltag zumindest derzeit noch keinerlei Bedeutung haben. Gut möglich, daß mit der "Graphics Core Next" Architektur das Zeitalter der bei AMD gegenüber nVidia tendentiell kleineren und damit effizienteren Grafikchips zu Ende geht. Natürlich kann man als Grafikchip-Entwickler der Transistorenverschwendung in dieser Form entgegenwirken, als daß viele GPGPU-Einheiten nur in den HighEnd-Chips voll ausgeführt werden und in den kleineren Grafikchips dann nur in Sparversion oder gleich gar nicht vorhanden sind. Trotzdem wird AMDs sogar über GPGPU hinausgehender und in Richtung Co-Prozessor für die CPU laufender Ansatz natürlich seine Anzahl an Transistoren kosten.

VLIW5 VLIW4 "Graphics Core Next" Architektur
SIMD-Einheit 16 VLIW5 Shader-Prozessoren = 80 insgesamte Shader-Einheiten 16 VLIW4 Shader-Prozessoren = 64 insgesamte Shader-Einheiten 16 "1D" Shader-Prozessoren = 16 insgesamte Shader-Einheiten
"Compute Unit" (CU) - - 4x SIMD-Einheit = 64 insgesamte Shader-Einheiten
theoretische Rechenleistung 2 Flops pro einzelner Shader-Einheit 2 Flops pro einzelner Shader-Einheit 2 Flops pro einzelner Shader-Einheit
praktische Auslastung ca. 70% ca. 80% nahe 100%

Über die Anzahl der bei AMDs "Graphics Core Next" Architektur verbauten Shader-Einheiten respektive der dafür angesetzten Textureneinheiten, Rasterendstufen (ROPs) und das benutzte Speicherinterface gibt es derzeit noch gar keine Informationen oder auch Gerüchte, bei AMDs Präsentation handelte es sich schließlich um die reine Vorstellung der grundsätzlichen Architektur, primär ausgerichtet auf die Sichtweise von Software-Programmierern. Die einzige Maßgabe zur Performanceklasse dieser "Graphics Core Next" Architektur liefert derzeit die 28nm-Fertigung: Mittels dieser sollte – egal auf welcher Architektur – ein Performancesprung von 80 bis 100 Prozent gegenüber den aktuellen 40nm Grafikchips möglich sein.

Dabei ist allerdings nicht einmal sicher, daß die "Graphics Core Next" Architektur wirklich diese Grafikchip-Architektur ist, welche AMD zum Jahresende 2011 in den Markt entlassen will. Dies wird zwar gern angenommen, genauso gut ist es aber auch möglich, daß AMD erst einmal eine reine Refresh-Generation der aktuellen Grafikchip-Architektur in 28nm auflegt und die "Graphics Core Next" Architektur dann die zweite 28nm-Generation im Jahr 2012 werden wird. Dafür sprechen mehrere Punkte: AMDs ursprünglicher Plan war ganz zweifellos eine komplette Serie an VLIW4 Grafikchips in 28nm, was bisher mit der (wegen der Verschiebung der 28nm-Fertigung) kurzfristig zwischengeschobenen Northern-Islands-Generation nur teilweise erreicht wurde (nur einer von vier Northern-Islands-Grafikchips ist VLIW4). VLIW4 ist wie gesagt für AMD ein wichtiger Übergangsschritt zur "Graphics Core Next" Architektur, dieselbe "Wavefront size" von 64 ist für Software-Programmierer ein elementarer Einschnitt.

Desweiteren ist die Verbindung von neuem Fertigungsverfahren und einer so grundsätzlich neuen Architektur ein höchst riskantes Unterfangen, wie in der Vergangenheit mehrfach schmerzhaft erfahren werden musste. Intel geht beispielsweise mit seiner Tick-Tock-Strategie diesem Risiko inzwischen generell aus dem Weg, indem ein neues Fertigungsverfahren nur noch bei Refresh-Chips angesetzt wird, während neue Architekturen nur noch in bekannten Fertigungsverfahren aufgelegt werden. Demzufolge wäre es logischer, wenn AMD erst einmal eine weitere Generation an VLIW4-Grafikchips in 28nm für dieses Jahr auflegt, um dann im nächsten Jahr in aller Ruhe die "Graphics Core Next" Architektur in dem dann inzwischen ausgereiftem 28nm-Verfahren folgen zu lassen.

Daß die "Graphics Core Next" Architektur aber bereits dieses Jahr antritt, ist keineswegs unmöglich – denn die Vorstellung der grundsätzlichen Architektur bereits jetzt deutet eher auf einen frühen Start als einen späteren Start hin. Möglich sind auch Mischvarianten: AMD könnte eine weitere VLIW4-Generation auflegen, die aber nur bis ins Performance-Segment reicht – und im HighEnd-Bereich dann mit der "Graphics Core Next" Architektur noch dieses Jahr antreten. Dies wäre eine sehr praktikable Lösung, denn es ist bei dem generell neuen Ansatz der "Graphics Core Next" Architektur arg unwahrscheinlich, daß AMD einem entsprechenden HighEnd-Chip alsbald entsprechend kleinere Chips für die anderen Marktsegmente folgen lassen kann – niemand entwickelt die vier benötigten Grafikchips für LowCost-, Mainstream-, Performance- und HighEnd-Segment parallel auf Basis einer brandneuen und nicht erprobten Grafikchip-Architektur.

weitere VLIW4-Architektur "Graphics Core Next" Architektur
Modell 1
(Spätstart)
komplette VLIW4-Architektur im Herbst/Winter 2011, möglicherweise teilweise erst Anfang 2012 "Graphics Core Next" Architektur nicht vor Sommer 2012
Modell 2
(Frühstart)
entfällt komplette "Graphics Core Next" Architektur im Herbst/Winter 2011, möglicherweise teilweise erst Anfang 2012
Modell 3
(Mix)
weitere VLIW4-Architektur im Herbst/Winter 2011, begrenzt auf drei Grafikchips für LowCost-, Performance- und Mainstream-Segment "Graphics Core Next" Architektur im Herbst/Winter 2011, vorerst begrenzt auf einen HighEnd-Chip, die entsprechenden kleineren Chips dann (mit einigem zeitlichen Abstand) im Laufe des Jahres 2012

Welche Variante AMD hier für uns in petto hat, wird man sich überraschen lassen müssen – genauso auch wie von vielen anderen derzeit ungeklärten Punkten der "Graphics Core Next" Architektur, welche derzeit eine Performanceprognose geradezu unmöglich machen. Klar ist nur, daß AMD mit dieser neuen Grafikchip-Architektur ein übergeordnetes Ziel in Richtung GPGPU und Fusion-Ansatz verfolgt und damit Transistoren für diese Zwecke opfern wird, welche derzeit für den Gamer-Bedarf eher zwecklos sind. Für AMD wird sich der eigentliche Erfolg der "Graphics Core Next" Architektur auch maßgeblich daran messen lassen, ob man diese übergeordneten Ziele (langfristig) erreichen kann – eine gute Gaming-Performance wird aber wohl so oder so herauskommen, soweit kann man AMD sicherlich vertrauen.