Wie sonst auch, lag dieser Tage wieder ein Prospekt einer bekannten Firma in der Tageszeitung. Auf dem knalligen Rot der überdimensionalen Seiten tummeln sich Notebooks, PCs und verschiedenste Hardware. So weit nichts was besonders ins Auge fallen würde. Was allerdings einer Revolution gleicht – irgendwo versteckt sich schüchtern ein einzelner PC mit mehr als 4 GB Speicher und vorinstalliertem 64-Bit Windows Vista. Sind die OEMs und Hersteller von Fertig-PCs etwa so weit? Ist das der benötigte Anstoß um den Stein ins Rollen zu bringen?
Ein einem Microsoft-Web-Blog kommentiert ein Mitarbeiter den anscheinend ansteigenden Erfolg der 64-Bit Version des Betriebssystems. In den USA soll sich die absolute Menge an installierten Versionen verdreifacht, in Europa verdoppelt haben. Der Anteil an neuen Vista x64 Systemen in den USA soll sogar von 3% im März bis auf 20% im Juni geschossen sein. Eine absolute Menge nennt man natürlich nicht. Vielleicht um den enthusiastischen Grundton des Blogs nicht zu gefährden, denn so hoch wird die Zahl trotzdem nicht sein. Die Statistik wurde übrigens anhand des Windows Update erstellt. Damit schließt man wohl viele illegale Versionen aus der Statistik aus, nimmt allerdings Spezialfälle wie PCs an Universitäten oder Firmen hinzu.
Trotzdem dürfte sich Vista x64 in der breiten Bevölkerung eines steigenden Marktanteils erfreuen. Dazu dürfte wohl auch der ein oder andere Hersteller beitragen, was nur zu begrüßen ist. Aber auch viele End-User wählen immer öfter die 64-Bit Version. Freilich ist dies weniger ein Akt von Überzeugung. Weder verschwanden im März über Nacht alle Probleme, noch existiert plötzlich ein gigantischer Performancevorteil. Bei einigen mag es Neugier sein, aber in den meisten Fällen basiert die Entscheidung auf einer einfachen Tatsache: Wie soll ich sonst meinen ganzen Speicher nutzen?
Gerade Komplett-PCs zeigen in den letzten Jahren/Monaten einen rapiden Anstieg an Arbeitsspeicher. Vorbei die Zeiten, als man mit der Menge an Speicher (Grafik, RAM) über den Tisch gezogen wurde. Sogar die billigsten Systeme sind nun mit 2 GB ausgestattet. Notebooks und PCs zwischen 600€ und 700€ ohne 3 GB Speicher sind immer seltener zu finden. Und gar oft finden sich 4 GB Speicher im System. Freilich nicht ganz so nutzbar bei einem 32-Bit System. Aber was will man machen, Speicher ist aktuell eines der billigsten Verkaufsargumente.
Und so dürfen wir langsam auf den Umstieg hoffen. 64Bit Vista in verkaufsfertigen PCs, verbaut aus purer Not. Gleichzeitig könnte damit endlich der Markt in Schwung kommen. Bisher wollte kaum einer Geld für angepasste Software ausgeben. Schon die Sache mit den Treibern war gemein von Microsoft. Die Notwendigkeit von speziellen 64-Bit Treibern für wirklich jedes Gerät im PC, fordert neben erneuten Entwicklungskosten auch das sehr unangenehme Pärchen Kosten/Zeit für Tests und Evaluierung. Die Hersteller mieden Vista x64 derweil wie Vampire das Licht. Unsichere Treibersituation und potentielle Probleme mit 32-Bit Software? Nein Danke!
Dabei sah kurzzeitig alles so toll aus. AMD landete 2003 mit AMD64 den wohl größten Coup der Firmengeschichte. Außer durch Linux hatte der Endkunde dadurch aber nicht viel gewonnen. Erst 2005 konnte Microsoft eine finale Version von Windows 2003 im 64-Bit Format bereitstellen. Als Windows XP x64 getarnt, konnte man dieses Betriebssystem kostenlos bei Microsoft beziehen (180 Tage Trial) oder bei vielen Anbietern als OEM-Version erwerben. Aber auch damals galt wie heute, wer nicht unbedingt Treiber entwickeln muss (AMD, Intel, Nvidia, ATI, Microsoft ...) der drückt sich nur zu gerne davor. Nun ist heute die Anzahl der Drückeberger eher gering, aber noch immer warten User auf Treiber für gar nicht so alte Hardware.
Windows XP x64 fristete sein Dasein als Test- und Entwicklungsplatform. Es erreichte niemals die nötige Marktmacht um Entwickler zu etwas zu zwingen. Allerdings bot es die Möglichkeit sich an der neuen AMD64-Umgebung auszutoben. Wer derweil mit Grafik- und Chipsatztreibern auskam und auf Zusatzhardware verzichtete (Webcams, TV-Karten, USB-Bluetooth/WLAN, Handysoftware etc.) der konnte gut mit XP x64 leben. Tatsächlich handelt es sich hier um die bisher schnellste aller Windows-Versionen. Dem Windows on Windows 64 (WoW64) Interface sei Dank, hielten sich Probleme mit 32-Bit Software stark in Grenzen. Inzwischen gibt es hier nahezu keine Probleme mehr auf die ein hilfloser Benutzer stoßen könnte.
Die Nachteile halten sich also zurück. Doch was ist mit den Vorteilen? Was spürt der Käufer eines Komplett-PCs mit 4 GB / 6 GB an Speicher und Vista x64? Was spürt der End-User der sich seinen PC selbst zusammenstellt und auf Vista x64 setzt? Vorteile gibt es viele die man aufzählen könnte. Man könnte mit Registern um sich werfen, Datenpfaden und 64-Bit breiten ALUs. Das alles sind Features der Mikroarchitektur und des Befehlssatzes der AMD64-CPUs. Sie bringen messbare Performancevorteile wenn man 64-Bit Software hat, und kaum messbare falls keine vorhanden ist. Weltbewegende Unterschiede gibt es, die wird der normale User aber selten erleben dürfen. Selbst dem Gelegenheitsspieler wird hier wenig auffallen.
Die Tatsache, dass mehr Speicher angesprochen werden kann, und einige Speicherbarrieren gesprengt werden, das ist schon etwas anderes. Zum einen können nach entsprechender Vorbereitung einige 32-Bit Anwendungen/Spiele mehr Adressraum nutzen (verhindern Abstürze bei Gothic3, Supreme-Commander und einigen anderen auch bei nur 2GB Speicher), zum anderen können 64-Bit Anwendungen praktisch frei nach oben hin expandieren. Und fast vergessen aber unglaublich wichtig für den Markt: 4 GB Hauptspeicher und mehr können damit erst sinnvoll genutzt werden. Und mit einem schnellen Blick auf die RAM-Preise wird doch eines klar – nicht 10% mehr Performance oder der Wegfall von Speicherbarrieren wird den 64-Bit Motor antreiben, sondern der unaufhaltbare Drang nach mehr Hauptspeicher im PC.
Ich glaube ich bin also nicht alleine wenn ich hoffe, dass so viele Hersteller wie möglich zügig auf Vista x64 umsteigen. Mehr Speicher schadet niemandem. Je mehr Hersteller derweil umsteigen (müssen), desto ernster muss jede Firma die eigenen 64-Bit Bemühungen nehmen. Eine Frage stelle ich mir trotzdem jeden Tag: Wie lange wird es wohl dauern um mit der 32-Bit Basis gleich zu ziehen, und sie anschließend weit hinter sich zu lassen? Denn erst dann werden wir den großen Schwung an 64-Bit Software erleben. Leider scheint selbst Windows 7 nicht ohne 32-Bit Version auf den Markt zu kommen. Ich kann und will nur hoffen, dass bis dahin nahezu jeder Hersteller von Fertig-PCs umgestiegen ist.