Prozessorenbauer Intel hat eine umfangreichen Präsentation zur Silvermont-Prozessorenarchitektur veröffentlicht, welche als Nachfolger der bisherigen Atom-Prozessorenarchitektur ab Jahresende die Produktsegmente von Smartphone- über Tablet- und Netbook- bis hin zu Miniserver-Prozessoren abdecken soll. Dazu wird Intel aus der Silvermont-Prozessorenarchitektur prinzipiell drei Plattformen stricken: Merrifield für Smartphones, Bay Trail für Tablets, Netbooks und Desktops sowie Avoton für Miniserver. Im gewöhnlichen PC-Bereich kommen dabei dann die "Valleyview"-Prozessoren zum Einsatz – unter dieser Bezeichnung wurde früher schon über die Silvermont-Architektur berichtet – heuer nun breitet Intel allerdings sehr viele tiefere Details zu Silvermont aus.
So war zuerst einmal das Hauptziel von Silvermont, sich von der arg mässigen und für viele Anwendungszwecke unzureichenden Performance der Atom-Prozessoren zu trennen. Gleichzeitig musste allerdings auch die Verlustleistung noch weiter nach unten gedrückt werden, denn trotz eigentlich guter Verlustleistungswerte bei Atom gelang es Intel nicht, diese Prozessoren im Smartphone-Segment zu plazieren. Das große Ziel bei Silvermont war im Endeffekt also "Energieeffizienz" – wobei Intel hierbei als führender Halbleiter-Hersteller gewisse Vorteile wie eben die bei den Silvermont-basierenden Valleyview-Prozessoren benutzte 22nm-Fertigung in die Waagschale werfen kann, während der Konkurrenz im Geschäft mit Smartphone-SoCs üblicherweise nur die 28nm-Fertigung zur Verfügung steht.
Die Performance-Steigerung bei Silvermont basiert dabei primär auf einer völlig umgebauten Prozessoren-Architektur, welche nun – wie bei den PC-Prozessoren von Intel üblich – im "Out-of-Order-Verfahren" anstatt des "In-Order-Verfahrens" der bisherigen Atom-Prozessoren läuft. Letzteres hatte man bei den originalen Atom-Prozessoren angesetzt, um diese möglichst einfach und damit stromsparend zu gestalten – heuer nun ist Intel aufgrund vieler Neuentwicklungen bei Stromspar-Technologien in der Lage, mit Silvermont wieder zum schnelleren Out-of-Order-Verfahren zurückzukehren. Zuzüglich viele weiterer Detailverbesserungen (Slide 08) legt Intel somit nach eigener Aussage bei Silvermont eine um 50% höhere IPC ("Instruction per cycle") hin als mit der vorhergehenden Saltwell-Architektur der bisherigen Atom-Prozessoren.
Dieser Wert gilt unabhängig der Anzahl der Rechenkerne – denn dieser steigt bei Silvermont auf bis zu acht Stück an, von vormals maximal zwei Stück ausgehend. Allerdings wird es Silvermont-basierte Prozessoren mit gleich acht Rechenkernen wohl nur im Miniserver-Bereich geben, im Desktop sollen die Valleyview-Prozessoren vorerst mit maximal vier Rechenkernen antreten. Nicht mehr dabei ist im übrigen das HyperThreading-Feature der bisherigen Atom-Prozessoren – dies ist aufgrund der gebotenen Kernanzahl jedoch total verschmerzbar. Ein wenig nachteilig ist jedoch der Verzicht auf die moderneren CPU-Befehlssatzerweiterungen, Silvermont unterstützt derzeit nur SSE 4.2 und AES-NI – jedoch kein AVX1 oder AVX2.
In der Summe verspricht Intel mit Silvermont gegenüber Saltwell einen Performancegewinn von Faktor 2 bei der SingleThread-Performance sowie Faktor 2,5 bis 2,8 bei der MultiThread-Performance (Vergleich Silvermont QuadCore vs. Saltwell DualCore mit HyperThreading, Slide 20). Dies hört sich großartig an, wird aber natürlich auch maßgeblich durch die höhere Anzahl an Rechenkernen sowie möglicherweise auch höhere Taktraten aufgrund der besseren Fertigung bei Silvermont-basierten Prozessoren begünstigt. Die klar höhere SingleThread-Performance zeigt jedoch an, daß sich Intel in jedem Fall der größten und im normalen Anwenderalltag auch augenfälligsten Schwäche der bisherigen Atom-Prozessoren angenommen hat.
Einen noch höheren Ausschlag erzielt Intel allerdings beim Stromverbrauch: Im SingleThread-Einsatz will man mit Silvermont auf 21% des Stromverbrauchs von Saltwell herunterkommen, im MultiThread-Einsatz (erneut der Vergleich Silvermont QuadCore vs. Saltwell DualCore mit HyperThreading, Slide 20) auf noch 23%. Angesichts dessen, daß die bisherigen Atom-Prozessoren zweifellos nicht als zu stromfressend gelten können, ist dies ein erheblicher Dimensionssprung. Allerdings muß Intel jenen auch noch in der Praxis mittels echten Testwerten nachweisen, denn im Gegensatz zu den durchaus glaubwürdigen Performance-Angaben kann man jene Stromverbrauchs-Angaben mit etwas Skepsis ansehen. Die für die Valleyview-Prozessoren geplanten TDPs sprechen jedenfalls kaum für einen derart viel niedrigeren Stromverbrauch gegenüber Saltwell.
Atom Cedarview | Valleyview | |
---|---|---|
Fertigung | 32nm Intel | 22nm Intel |
CPU-Teil | 2 Saltwell-Rechenkerne (In-Order-Architektur) + HyperThreading, 512 kByte Level2-Cache pro Rechenkern, CPU-Befehlssatzerweiterung bis SSE3 | 2-8 Silvermont-Rechenkerne (Out-of-Order-Architektur) (Achtkerner nur im Serverbereich), 1024 kByte Level2-Cache pro zwei Rechenkerne, CPU-Befehlssatzerweiterungen bis SSE4.2 & AES-NI |
GPU-Teil | PowerVR-basierte Grafik mit Fähigkeiten bis DirectX 10, aufgrund von Treiberproblemen auf DirectX 9 limitiert | Intel-basierte Grafik (von Ivy Bridge abstammend) mit vier Ausführungs-Einheiten und DirectX 11.0 |
Speicherinterface | SingleChannel DDR3, offiziell bis DDR3/1066 | DualChannel DDR3, offiziell bis DDR3/1333 (im Serverbereich bis DDR3/1600) |
TDPs Zweikerner | 3,5W, 6,5W & 10W | geplant sind 3W, 4W und 6,5W |
TDPs Vierkerner | - | geplant sind 10-12W |
TDPs Achtkerner | - | geplant sind 20W (nur Serverbereich) |
Topmodell | Atom D2700 mit 2 Rechenkernen und 2.13 GHz Takt, max. DDR3/1066 (gesamte Modell-Liste) |
mindestens 2.7 GHz unter dem TurboMode – wahrscheinlich allerdings nur im Zweikern-Bereich, die Vierkern-Modelle dürften wohl niedriger takten |
Codenamen | Saltwell – Architektur Cedarview – Prozessor Cedar Trail – Plattform für Netbooks bis Desktops Centerton – Plattform für Miniserver |
Silvermont – Architektur Valleyview – Prozessor Merrifield – Plattform für Smartphones Bay Trail – Plattform für Tablets bis Desktops Rangeley – Plattform für Storage-Systeme Avoton – Plattform für Miniserver |
Release | September 2011 | Bay Trail zum Jahresende 2013 Merrrifield zum Jahreswechsel 2013/2014 Rangeley & Avoton in der zweiten Jahreshälfte 2013 |
Dies zeigt auch das größte Problem der aktuellen Silvermont-Präsentation auf: Keine der Performance- und Stromverbrauchs-Angaben wird für die nächsten Monate nachprüfbar sein, nichtsdestotrotz wird die Presse natürlich mit diesen Angaben operieren und jene Angaben somit in der Welt verbreiten (zweifellos clever gelöst seitens des Intel-Marketings). Der hervorragende Ansatz ist sicherlich erkennbar, aber die Ermittlung der Höhe der Ergebnisse sollte doch besser unabhängigen Messungen überlassen bleiben, welche sicherlich im Detail andere Resultate erzielen werden als von Intel prognostiziert. Zudem hängt einiges natürlich auch noch an den finalen Taktraten, welche derzeit bei weitem noch nicht feststehen dürften.
Bliebe ein wichtiger Punkt noch übrig: Eine Einschätzung dessen, was Intel nun mit der Silvermont-Architektur anfangen kann. Im Bereich der Netbooks, kleineren Notebooks und kleineren Desktop-PCs wird Silvermont sicherlich einen gehörigen Schritt nach vorn ergeben und vielleicht sogar eine würdige Konkurrenz zu den bisher in diesem Segment klar führenden AMD-Prozessoren der Bobcat- und zukünftig der Jaguar-Linien aufbauen können. Ob dies der Massenmarkt so schnell goutieren wird, steht dagegen auf einem anderen Blatt – mittlerweile ist der einfache Schluß "Atom = lahme Krücke" unter normalen Computernutzern so weit verbreitet, daß selbst Intel doch einige Zeit brauchen wird, ehe man die Konsumenten wieder überzeugt hat. Eventuell trennt sich Intel auch gleich ganz vom "Atom"-Markennamen, dies wäre zumindest anfänglich erheblich von Vorteil.
Für Intel die entscheidendere Frage dürfte aber sein, ob man mittels Silvermont nun endlich auch im Smartphone- und Tablet-Bereich wird wildern können. Dies läßt sich natürlich unmöglich sicher vorhersagen, aber die Voraussetzungen dafür sehen von technischer Seite her schon sehr gut aus. Die Intel-eigenen Vergleiche gegenüber "herkömmlichen Tablet-SoCs" (Slide 24) sprechen klar für Intels Silvermont-Architektur und selbst eingerechnet einer gewissen Übertreibung dürfte dies ausreichend sein, um diese Performance und diesen Stromverbrauch zu bieten, welcher zumindest im Tablet-Bereich derzeit benötigt wird. Ob Intel auch in Smartphone-Gefilde herunterkommt, muß dagegen die Zeit zeigen, denn derzeit läßt sich anhand einer unveröffentlichten Architektur nur schwer abschätzen, wie gut deren Performance auf einem Niveau von nur 1 Watt SoC-Gesamtstromverbrauch wirklich ausfällt.