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Linux für den breiteren Desktop-Einsatz: Es fehlt schlicht die Spielefähigkeit

Die Telepolis hat ein interessantes Interview mit einem Linux-Guru zum Thema freie Software und Linux geführt, bei welchem auch die Verwunderung darüber geäußert wurde, das Linux – im Gegensatz zu anderer freier Software – nur einen Marktanteil von unter 5% bei Desktop-Systemen hält. Als Hauptbegründung wurde hierbei angebracht, daß die PC-Hersteller seitens Microsoft mit Knebelverträgen effektiv daran gehindert werden, Linux-Systeme anzubieten – da Microsoft angeblich die entscheidende Rabatte für Windows-Lizenzen erst dann gewährt, wenn der PC-Hersteller exklusiv nur Windows-basierte Rechner anbietet. Ob dies heutzutage noch so zutrifft, sei einmal dahingestellt – gegen Linux auf dem Desktop spricht aber auch, daß laut den PC-Herstellern einfach kein großartiges Kundeninteresse für Linux vorhanden ist.

Und selbst in Enthusiasten-Kreisen gibt es zwar ein starkes Interesse an Linux, die letztliche Entscheidung geht aber sehr häufig dann doch zugunsten von Windows aus. Ohne aber entweder ein Eigeninteresse des Massenmarkts oder eine starke Basis im Enthusiasten-Segment wird sich Linux niemals vom Fleck weg entwickeln können. Das Eigeninteresse des Massenmarkts ist für Linux vergleichsweise schwer zu wecken, weil es kein großes Unternehmen im Hintergrund gibt, welches – wie Microsoft bei Windows 8 – mal eben so eine Milliarde Dollar für Werbung locker macht. Es bleibt für Linux somit nur der eher steinige Weg über die Gewinnung der Enthusiasten, welche nachfolgend dann den Massenmarkt überzeugen.

An dieser Stelle angekommen zählt dann das vorgebrachte Argument der Behinderung durch Microsoft nicht mehr, weil es für Enthusiasten nicht relevant ist, ob man gleich einen Rechner mit vorinstalliertem Linux kaufen kann. Demzufolge muß die Frage aufgestellt werden, was denn Linux wirklich behindert: Und dies ist unserer Meinung nach immer noch die im wesentlichen fehlende Spielefähigkeit – womit nicht gemeint ist, daß es unter Linux sicherlich ausreichend Casual-Games und auch das eine oder andere Core-Game gibt. Relevant für einen Spieler ist doch nicht, ob es auch Spiele gibt – der Spieler will hingegen am besten Zugriff auf alle wichtigen Spiele haben, was unter Linux nun keineswegs garantiert werden kann.

Jener Punkt läßt sich für den Enthusiasten-Bereich sogar sehr gut belegen: In einer kürzlichen Umfrage hatten wir gefragt, ob man Linux langfristig gesehen auf dem Desktop noch einmal eine Chance geben würde. Abgesehen von dem sich aus dieser Umfrage ergebenden hohen Interesse an Linux auf dem Desktop war es ganz bemerkenswert, daß von den positiv gegenüber Linux eingestellten Umfrage-Teilnehmern gleich 77,8 Prozent ihr Interesse an Linux auf dem Desktop an der Verfügbarkeit von Core-Spielen festgemacht haben. Und damit werden natürlich nicht nur ein paar Titel gemeint sein – wie gesagt ist für den Spieler die größtmögliche Angebotsbreite entscheidend, nicht das reine Vorhandensein einzelner Titel.

Wer Linux auf dem Desktop vorantreiben will, muß demzufolge zielgerichtet an dessen Spielefähigkeit arbeiten. Und – die Linux-Nutzer werden hier sicherlich zustimmen – sind viele andere Probleme von Linux längst gelöst, ergibt sich bis auf die Spielefähigkeit keine größere Baustelle mehr. Gerade deswegen sollten nun alle Kräfte auf das Ziel bestmöglicher Spielefähigkeit gebündelt werden. Ein gewisses Problem ergibt sich allerdings daraus, daß augenscheinlich viele Linux-Gurus nicht der Generation der Spieler angehören und diesen Punkt einfach nicht wahrnehmen bzw. als nicht so wichtig wahrnehmen. Zwischen den Zeilen läßt sich dies auch aus vorverlinktem Interview herauslesen, wenn der Hauptpunkt für die Probleme von Linux mit dem Desktop-Marktanteil in der Microsoft-Politik gesehen werden und die fehlende Spielefähigkeit nicht einmal erwähnt wird.

Genau hier muß deshalb die aktuelle Ansatzstelle sein: Die Linux-Gurus und die Linux-Gemeinde müssen davon überzeugt werden, daß Spielefähigkeit unter Linux ein Weg sein kann, um Linux auf dem Desktop voranzubringen bzw. daß die fehlende Spielefähigkeit derzeit das größte technische Problem von Linux darstellt. Offensichtlich besteht hier ein größerer Wahrnehmungsunterschied zwischen der Linux-Gemeinde (welche die fehlende Spielefähigkeit gern generell abstreitet) und dem Linux-interessierten Enthusiasten-Segment (welches ganz augenscheinlich auf Linux mit expliziter Spielefähigkeit wartet). Doch wenn die Linux-Gemeinde wirklich wachsen will, dann braucht sie die PC-Enthusiasten – und jene sind nun einmal vorwiegend Spieler.

Fehlend ist hier also immer noch der gedankliche Schritt der Linux-Gurus und der Linux-Gemeinde, daß eine ernsthafte Spielefähigkeit von Linux benötigt wird bzw. daß das derzeit in dieser Frage seitens Linux gebotene um Dimensionen zu klein ist. Die technischen Probleme sind wohl sogar lösbar, hier kann man sicherlich der Innovationskraft der Linux-Gemeinde vertrauen. Aber bevor das eigentliche Problem (in Form der nicht vorhandenen Spielefähigkeit von Linux) nicht innerhalb der Linux-Gemeinde breitflächig erkannt wird, wird es auch keine Diskussion über Lösungsansätze geben.