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News des 29. April 2010

Wir kommen noch einmal zurück auf die Performance des Phenom II X6 und die schon angesprochene Schwierigkeit, dies in exakten Zahlen fassen zu wollen: Wenn man sich dabei erst einmal nur auf die Anwendungsperformance konzentriert, erscheint die Lage auf den ersten Blick ziemlich einfach: Unter Nichtbeachtung der wenigen Benchmarks, wo sich nahezu ein Gleichstand zwischen AMDs Sechskernern und Intels Vierkernern ergibt, zeigen rund zwei Drittel der restlichen Benchmarks deutliche Vorteile für AMDs Sechskerner und rund ein Drittel der Benchmarks wiederum deutliche Vorteile für Intels Vierkerner. Allerdings sind diese Einschätzungen – zwei Drittel hier und ein Drittel da – auch nur höchst grob – und dies ist aufgrund der Höhe der jeweiligen Performanceunterschiede ein großes Problem.

Dazu ein einfaches Beispiel: Man benutzt sechs Benchmarks, welche im Schnitt einen Vorteil von 20 Prozent zugunsten der einen Seite zeigen. Jetzt kommt ein weiterer Benchmark hinzu, welcher eine hohe, aber gerade im Vergleich dieser Prozessoren nicht unübliche Performancedifferenz von 80 Prozent aufweist. Gehen diese 80 Prozent zugunsten derselben Seite, erhöht sich deren insgesamter Vorteil auf 29 Prozent – geht es zugunsten der anderen Seite, verringt sich der insgesamte Vorteil auf nur noch 11 Prozent. In beiden Fällen kann das Endergebnis also allein schon durch die Hinzunahme eines einzelnen weiteren Benchmarks massiv beeinflußt werden, womit letztlich die Benchmark-Zusammenstellung sehr entscheidend das Endergebnis prägt und darüber auch große Unterschiede zwischen einzelnen Tests durchaus erklärbar sind.

Ausgangslage AMD vs. Intel
Fall 1 sechs Benchmarks mit im Schnitt 20 Prozent Vorteil AMD +20%
Fall 2 dasselbe wie Fall 1
zuzüglich ein weiterer Benchmark mit 80 Prozent Vorteil AMD
+29%
Fall 3 dasselbe wie Fall 1
zuzüglich ein weiterer Benchmark mit 80 Prozent Vorteil Intel
+11%

Richtig interessant wird es dann, wenn man jedoch Anwendungs- und Spielebenchmarks mixt. Zwar kann man bezüglich der Spielebenchmarks die ziemlich klare Aussage treffen, daß AMDs Sechskerner hier unter CPU-limitierten Settings (zumeist über niedrige Auflösungen simuliert) klar hinter Intels Vierkernern zurückliegen, aber gerade diese Eindeutigkeit ist wiederum das Problem bei der Endabrechnung aller Ergebnisse. Auch hier ein Beispiel, diesesmal basiert auf den Werten von HT4U: Im Vergleich zwischen Phenom II X6 1090T und Core i7-860 sieht man dort den AMD-Prozessor bei den Anwendungen mit 7,7 Prozent vorn, bei den Spielen dagegen mit immerhin 17,8 Prozent hinten (das hier einige Ergebnisse durch Fehlverhalten von TurboCore schlechter für den AMD-Prozessor ausfallen als notwendig, spielt für die nachfolgende Betrachtung keine Rolle).

In der Insgesamtabrechnung ergibt sich somit ein Vorteil für den AMD-Prozessor von 1,0 Prozent – welcher allerdings maßgeblich davon geprägt ist, wieviel Anwendungs- und wieviel Spiele-Benchmarks angesetzt wurden. Bei HT4U lag dieses Verhältnis bei 14:5 – und deswegen kann AMD auch bei einem Vorteil in den Anwendungsbenchmarks von nur 7,7 Prozent den klaren Rückstand bei den Spiele-Benchmarks von -17,8 Prozent trotzdem noch zu einem knapp positiven Insgesamtergebnis von +1,0 Prozent bringen. Schon bei geringfügig anderen Benchmark-Zusammensetzungen verändert sich das Insgesamtergebnis allerdings deutlich: Bei weiterhin 14 Anwendungs- und dann aber 8 Spiele-Benchmarks kommt insgesamt dann schon ein Rückstand gegen den AMD-Prozessor von 1,6 Prozent heraus – prozentual vielleicht kein großer Unterschied, aber immerhin eine Umkehrung des Vorzeichens, der geringfügige Vorteil liegt dann plötzlich auf Intel-Seite.

Ausgangslage AMD vs. Intel
Fall 1 14 Anwendungsbenchmark mit im Schnitt 7,7 Prozent Vorteil AMD sowie 5 Spiele-Benchmarks mit im Schnitt 17,8 Prozent Nachteil AMD +1,0%
Fall 2 dasselbe wie Fall 1
zuzüglich drei weiterer Spiele-Benchmarks mit derselben Performance-Charakteristik (Benchmarkverhältnis 14:8)
-1,6%
Fall 3 dasselbe wie Fall 1
zuzüglich neun weiterer Spiele-Benchmarks mit derselben Performance-Charakteristik (Benchmarkverhältnis 14:14)
-5,1%

Und setzt man gar sowohl 14 Anwendungs- als auch 14 Spiele-Benchmarks an, kommt folgerichtig ein klares Minus gegen den AMD-Prozessor heraus: -5,1 Prozent lautet dann das Insgesamtergebnis, welches sich bei noch stärkerer Betonung auf die Spielebenchmarks sogar noch stärker zugunsten von Intel verschieben würde. Hier geht die Sache natürlich deutlich in Richtung von "Benchmark-Philosophie", also den Fragen danach, was man warum bencht, um welchen Punkt zu zeigen. Es ist diesbezüglich wohl gar nicht so schlecht, daß die meisten Webseiten bei ihren Tests kein abschließendes Performance-Rating angeboten, sondern sich auf eine subjektive Bewertung verlassen haben – in diesem speziellen Fall ist halt das Performance-Verhältnis zwischen AMDs Sechskernern und Intels Vierkernern schwer in einzelne, verläßliche Zahlen zu fassen, sondern doch besser in Wörtern und Sätzen zu beschreiben.

Und bei der Frage, wo man den Phenom II X6 nun letztlich vorzieht und kauft, gilt das gleiche wie bei der Frage, wie man dessen Testergebnisse auswertet: Nicht eine einzelne insgesamte Zahl drückt hier die Wahrheit aus, sondern nur beim Blick auf die einzelnen Ergebnisse kommt man der Sache näher. Und diese sagen erst einmal, daß der Phenom II X6 keine besondere Spieler-CPU ist, sofern man auf so etwas wie Minimum-fps achtet. Denn nur in dieser Diziplin sind die Core-i7-Prozessoren klar führend, simuliert zumeist durch Benchmarks auf niedrigen Auflösungen wie 800x600. Sofern es einem ausreicht, daß der Prozessor die Grafikkarte anständig unterstützt, spielt dies aber keine große Rolle, denn bei allen praxisnahen Benchmarks unter normalen Spieler-Auflösungen ergibt sich (aufgrund der Grafikkarten-Limitierung) kein beachtbarer Performanceunterschied zwischen AMD und Intel.

Abseits dessen hat der Phenom II X6 dann seine Stärken klar bei den Anwendungs-Benchmarks, insbesondere bei allem, was mit Kodieren und Dekodieren von Audio und Video zu tun hat. Hier muß sich allerdings der potentielle Käufer vorher selbst prüfen, ob er denn diese Dinge auch wirklich so regelmäßig einsetzt, daß sich deswegen der Erwerb eines Sechskern-Modells lohnt. Realistisch betrachtet trifft dies wohl auf keine besonders große Gruppe von Anwendern zu. Allerdings hat der Phenom II X6 immer noch den Vorteil, auch als Nachrüstobjekt für jene Anwender in Betracht zu kommen, welche zwar schon eine AMD-Plattform haben, aber für diese einen Prozessor des gehobenen Preisbereichs nachrüsten wollen. Dies hatte AMD bislang kaum bis gar nicht im Angebot – und diese Angebotslücke fixt der Phenom II X6 nun.

Der Phenom II X6 muß somit gar nicht einmal unbedingt viele AMD-Neukäufer generieren, es reicht für AMD sicherlich aus, wenn diese Prozessoren-Serie den momentanen AMD-Nutzer mit höherem Leistungsbedarf davon abhält, wegen des (bisherigen) Fehlens entsprechender AMD-Angebote auf Intel umzusatteln. Und letztlich spricht zugunsten der Phenom II X6 Prozessoren auch noch ein Punkt, welcher zwar nicht wirklich rational erklärbar, nichtsdestotrotz aber vorhanden ist: Eine gewisse Käufergruppe wird die Sechskern-Prozessoren auch deswegen erwerben, schlicht weil es eben Sechskern-Prozessoren sind – noch dazu zum humanen Preis. Das AMD-Marketing dürfte zudem beide Punkte – sechs physikalische Rechenkerne und den guten Preis – weidlich ausschlachten, so daß der Phenom II X6 ziemlich sicher seine Käufer finden wird.