Launch-Analyse Intel Arrow Lake (Seite 3)

Dienstag, 29. Oktober 2024
 / von Leonidas
 

Richtig gut gelungen sind hingegen die Verbrauchswerte von Arrow Lake, welche bei den letzten Intel-Generationen das Ziel vielfältiger Kritik waren. Sicherlich gibt es auch Benchmarks, wo Arrow Lake sein Powerlimit ähnlich wie Raptor Lake ausnutzt, aber in den meisten Fällen geht man sowohl bei Anwendungs- als auch Spiele-Benchmarks deutlich energieeffizienter ans Werk. Im Schnitt der drei Arrow-Lake-Modelle konnte Intel unter Anwendungen den Verbrauch um –25% senken bzw. die Energieeffizienz um +40 steigern, unter Spielen sind es hingegen –37% weniger Verbrauch sowie eine um +50% höhere Energieeffizienz. Insbesondere die Werte beim Spiele-Stromverbrauch sehen nun wirklich ansprechend aus, das komplette Portfolio bis hoch zum Core Ultra 9 285K liegt beim gemittelten Spiele-Verbrauch unterhalb von 90 Watt (und damit beachtbar niedriger als selbst der Core i9-14600K).

Verbrauch 7800X3D 9700X 9900X 9950X 14600K 14700K 14900K 245K 265K 285K
8C Zen4 8C Zen5 12C Zen5 16C Zen5 6P+8E RPL 8P+12E RPL 8P+16E RPL 6P+8E ARL 8P+12E ARL 8P+16E ARL
CB24 @ Tweakers 104W 117W 198W 244W 191W 252W 274W 157W 238W 263W
Blender @ TPU 74W 80W 173W 220W 145W 222W 281W 134W 155W 235W
Premiere @ Tweakers 85W 117W 189W 205W 152W 223W 228W 121W 156W 149W
Handbrake @ Tom's 74W - 156W 192W 179W 224W 227W 105W - 177W
AutoCAD @ Igor's 63W 77W - 77W 75W 128W 141W 50W 64W 59W
Ø 6 Anwend. @ PCGH 74W 83W 149W 180W 151W 180W 174W 107W 138W 152W
Ø 47 Anwend. @ TPU 48W 61W 113W 135W 90W 140W 180W 78W 108W 132W
Ø 16 Spiele @ CB 62W 87W 110W 114W 120W 164W 169W 63W 78W 84W
Ø 15 Spiele @ HWCanucks 54W 82W 97W 103W 107W 154W 147W 68W - 86W
Ø 13 Spiele @ TPU 46W 71W 100W 104W 76W 116W 149W 61W 77W 94W
Ø 10 Spiele @ Tom's 61W 86W 107W 111W 98W 125W 122W 59W - 77W
Ø 10 Spiele @ PCGH 49W 82W 102W 118W 107W 124W 127W 67W 76W 83W
Ø 6 Spiele @ Igor's 65W 98W - 118W 104W 136W 131W 92W 105W 104W
gemittelter Anwend.-Verbr. 65W 79W 135W 160W 121W 174W 198W 95W 128W 147W
Anwend.-Energieeffizienz 199% 183% 139% 136% 119% 104% 100% 158% 148% 144%
gemittelter Spiele-Verbr. 56W 84W 105W 111W 101W 135W 140W 68W 80W 88W
Spiele-Energieeffizienz 274% 162% 127% 124% 126% 102% 100% 181% 159% 151%
Power-Limit 162W 88W 162W 200W 181W 253W 253W 159W 250W 250W
Listenpreis $449 $359 $499 $649 $319 $409 $589 $309 $394 $589
Straßenpreis (ab) 452€ 345€ 450€ 620€ 246€ 369€ 464€ 335€ 439€ 650€
reiner CPU-Verbrauch; Verbrauchs-Durchschnitt gemäß geometrischem Mittel, stark gewichtet zugunsten Verbrauchswerten basierend auf kompletten Testfeldern; Listenpreise: AMD = boxed, Intel = tray; Straßenpreise: günstigstes Angebot (egal ob boxed oder tray)

Leider ist dies der einzige große Punkt, welcher für Arrow Lake spricht: Der Fortschritt bei der Energieeffizient ist einfach Klasse. Die reinen Performance-Werte sind es hingegen mitnichten, denn gemittelt +5% mehr Anwendungs-Performance sowie gemittelt –6% weniger Spiele-Performance konnte selbst Ryzen 9000 im Launch-Zustand überbieten (seinerzeit waren es dort +9% sowie +4%) – und bekam wie bekannt trotzdem sein Fett weg. Arrow Lake unterbietet dies spielend und übernimmt somit auch den wenig schmeichelhaften Titel des schlechtesten PC-Hardware-Launches 2024. Leider läßt sich dies nicht anders sagen, denn im Endeffekt zählt für ein K-Modell des Consumer-Segment die (bessere) Anwendungs-Performance weitaus weniger als die (schlechtere) Spiele-Performance. Nicht nur, dass die meisten Nutzer inzwischen mehr als ausreichend Anwendungs-Performance haben – die Richtung passt einfach nicht, ein umgekehrtes Performance-Profil (mehr Spiele- zu weniger Anwendungs-Performance) wäre aus Sicht von Hardware-Enthusiasten viel eher verzeihbar gewesen.

Denkbarerweise hatte Intel bei der Konzeption von Arrow Lake andere Maßgaben im Sinn als eine großartige Gaming-CPU für den Desktop zu entwickeln. Schließlich werden im Maßstab 3:1 mehr Mobile- als Desktop-Prozessoren verkauft und zudem liegen in den Server-Modellen (auf Basis derselben CPU-Kerne) in aller Regel die größeren Gewinnmargen. Andererseits ist Intel auch wieder so groß, dass man mit Fug und Recht sagen kann: Intel sollte Performance-Führerschaft in allen Segmenten anstreben, sich nicht mit Kompromissen zufriedengeben, welche zuungunsten einzelner Segmente gehen. Arrow Lake ist zweifelsfrei ein solcher Kompromiß: Im Zuge dessen, alles in Chiplets aufteilen zu wollen, hat man sich einen Speichercontroller auf einem anderen Tile und somit vergleichsweise hohe Speicherlatenzen an Land gezogen – was man vorher hätte wissen können, dass dies der Spiele-Performance überaus abträglich sein würde.

Für die selten getesteten non-K-Modelle und auch Mobile-Prozessoren wäre dies wohl ausreichend, für eine schlagkräftige Desktop-CPU allerdings nur zweitbeste Wahl. Dabei war gerade die gute Speicherlatenz bisher das, was Intel bei der Spiele-Performance vorangebracht hat – was Intel nunmehr höchstselbst als Vorteil aufgegeben hat. Sicherlich dürfte man bei Intel an der Optimierung dieses Designansatzes arbeiten und vielleicht findet man in Zukunft auch Lösungen, um selbst im Tile-Design wieder auf dasselbe Niveau an Spiele-Performance wie mit monolothischen Chips zu kommen. Arrow Lake hilft das ganze aber natürlich nicht weiter, diese Generation wird erst einmal als Fehlschlag in die IT-Geschichte eingehen. Dabei hätte Intel wie zu Anfang gesagt einen positiven Buzz sehr wohl nötig als auch hatte AMD mit dem lauwarmen Launch von Ryzen 9000 eigentlich eine perfekte Ausgangslage für Intel geliefert.

Absolut erschwerend für Arrow Lake kommt zudem die aktuelle Preissituation hinzu, nach welcher der Raptor Lake Refresh faktisch zu Abverkaufs-Preisen angeboten wird und somit das übliche Preisgefüge bei Intel außer Kraft setzt. Denn die 2. Core-Ultra-Generation kommt eigentlich mit minimal niedrigeren Listenpreisen als die 14. Core-Generation daher, in der Praxis der aktuellen Straßenpreise kosten die neuen Intel-Prozessoren gemittelt jedoch um +32% mehr gegenüber der nunmehr Alt-Generation von Intel. Hier kommen dann noch die derzeit klar höheren Mainboard-Kosten für LGA1851-Platinen oben drauf. Diesen heftigen preislichen Malus könnte nicht einmal ein Spitzen-Produkt ausgleichen, Arrow Lake dann natürlich noch viel weniger. Und gleichfalls gilt: Man könnte ja immer über schlechtere Performance/Preis-Verhältnisse beim neuen Produkt hinweg sehen, wenn die neue Plattform wenigstens ein ordentliches Performance-Plus anzubieten hätte – was aber erneut nicht auf Arrow Lake zutrifft.

14600K → 245K 14700K → 265K 14900K → 285K RPL-R → ARL
Kerne & Threads 6P+8E 8P+12E 8P+16E
Listenpreis $319 → $309 $409 → $394 $589 → $589 –2%
Straßenpreis (ab) 246€ → 335€ 369€ → 439€ 464€ → 650€ +32%
Anwendungen: Performance +3,9% +4,6% +6,9% +5%
Anwendungen: Performance/Preis –24% –12% –24% –20%
Anwendungen: Stromverbrauch 121W → 95W 174W → 128W 198W → 147W –25%
Anwendungen: Energieeffizienz +33% +43% +44% +40%
Spiele: Performance –3,9% –7,1% –5,6% –6%
Spiele: Performance/Preis –29% –22% –33% –28%
Spiele: Stromverbrauch 101W → 68W 135W → 80W 140W → 88W –37%
Spiele: Energieeffizienz +44% +57% +51% +50%
Listenpreise: AMD = boxed, Intel = tray; Straßenpreise: günstigstes Angebot (egal ob boxed oder tray)

Insofern fällt es derzeit schwer, irgendwelche Absatzfantasien zugunsten der nunmehr veröffentlichten K/KF-Modelle von Arrow Lake aufzubauen. Wenn Intel hiervon wirklich etwas absetzt, dann kann dies eigentlich nur im Geschäft mit Komplett-PCs sein – wo es mit den vorliegenden Performance-Werten aber auch nicht einfacher wird. Der eigentliche Markt für Intel dürfte eher bei den non-K-Modellen und später im Mobile-Segment liegen, wo das einzige Performance-Argument oftmals nicht die konkrete Prozessoren-Bezeichnung, sondern schlicht nur der Prozessoren-Hersteller ist – es wird Intel gekauft, alles andere existiert nicht im Blickfeld vieler PC/Notebook-Käufer. Auf diesen (riesigen) Markt kann Intel auch weiterhin mit großer Sicherheit setzen – schon allein deswegen, weil AMD bei weitem nicht so viel liefern könnte, um Intel hiervon bedeutsame Anteile abzujagen.

Aber dennoch arbeitet dieser Launch letztlich in allen Marktsegmenten gegen Intel – auch in jenen, in welchen Intel derzeit bombenfest sitzt. Mal nur als Zweitbester herauszukommen kann man überleben, aber Performance-Rückschritte in einer Situation, wo man eigentlich nach vorn gehen sollte, nagen langfristig am guten Ruf über alle Käufergruppen hinweg. Sicherlich kommt dieser Effekt in so einigen Käufergruppen erst mit einiger Verspätung an – aber es passiert, sofern Intel nicht das Ruder rechtzeitig wieder herumreißt. Genau das muß nunmehr die Aufgabe von Intel sein: Diesen Launch als einmaligen Ausrutscher einzuordnen. Was natürlich nur gelingen kann über einen sehr überzeugenden Nachfolger, welcher zudem idealerweise zeitnah herauskommen sollte.

IPC-Gewinn höchste Taktraten üblicher OC-Takt
Core 2   (2007, 65nm) - 2.4 GHz ~3.2 GHz
Core 2 Refresh   (2008, 45nm) +9% 3.0 GHz ~4.0 GHz
Nehalem   (2008, 45nm) +31% (inkl. HT) 3.2/3.46 GHz ~3.8 GHz
Sandy Bridge   (2011, 32nm) +15% 3.5/3.9 GHz ~4.5 GHz
Ivy Bridge   (2012, 22nm) +6% 3.5/3.9 GHz ~4.5 GHz
Haswell   (2013, 22nm) +8% 3.5/3.9 GHz ~4.4 GHz
Haswell Refresh   (2014, 22nm) - 4.0/4.4 GHz ~4.6 GHz
Broadwell   (2015, 14nm) ~5% 3.3/3.7 GHz ~4.2 GHz
Skylake   (2015, 14nm) +8% (zu Haswell) 4.0/4.2 GHz ~4.5 GHz
Kaby Lake   (2017, 14nm) - 4.2/4.5 GHz ~4.8 GHz
Coffee Lake   (2018, 14nm) - 4.0/5.0 GHz (6C) ~4.9 GHz (6C)
Coffee Lake Refresh   (2018, 14nm) - 3.6/5.0 GHz (8C) ~5.1 GHz (8C)
Comet Lake   (2020, 14nm) - 3.7/5.3 GHz (10C) ~5.1 GHz (10C)
Rocket Lake   (2021, 14nm) +17% (zu CML) 3.5/5.3 GHz (8C) ~5.0 GHz (8C)
Alder Lake   (2021, Intel 7) +20% 3.2/5.2 GHz (8P+8E) ~5.1 GHz (8P+8E)
Raptor Lake   (2022, Intel 7) - 3.0/5.8 GHz (8P+16E)
Raptor Lake Refresh   (2023, Intel 7) - 3.0/6.0 GHz (8P+16E)
Arrow Lake   (2024, TSMC N3B) +7% (zu RPL-R, exkl. HT) 3.7/5.7 GHz (8P+16E)
ohne HEDT-Prozessoren bzw. nicht oberhalb $600 Listenpreis; Taktraten-Angabe generell für Vierkerner (oder besser, wenn verfügbar)

Leider beißt sich diese Maßgabe mit der bekannten Intel-Roadmap: Eigentlich dürfte für die nächsten zwei Jahre im Desktop-Segment nur noch Arrow Lake anstehen, eventuell aufgelockert durch einen Refresh mit neuen CPU-Modellen aber ohne neue Technik oder neues Die (ein 8P+32E-Die für einen Arrow-Lake-Refresh wurde angeblich gestrichen). Erst Ende 2026 steht mittels "Nova Lake" die nächste Desktop-Generation mit wirklich neuer Architektur an, was als reichlich spät angesichts der aktuellen Situation erscheint. Schließlich wird AMD schon nächste Woche mit dem Ryzen 7 9800X3D noch einmal nachlegen, was Arrow Lake in der Rangordnung der Spiele-Performance einen weiteren Platz nach unten schicken wird. Intel muß somit zusehen, dass Nova Lake (welches allerdings schon gegen AMDs Zen 6 antreten wird) auch wirklich einschlägt – und sollte überlegen, ob nicht eventuell doch "Bartlett Lake" als kurzfristig arrangierbare Überbrückungslösung geeignet wäre.

PS:
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